Umbau der Landwirtschaft statt Flächensubventionen

25. November 2018

Wie die EU den Agrarsektor fördert und damit auch starken Einfluss auf eine bienenfreundlichere Landwirtschaft nehmen könnte, steht derzeit in der Debatte. Am 19. Januar 2019 wird auch deshalb in Berlin wieder unter dem Motto „Wir haben es satt!“ demonstriert. Saskia Richartz von der Kampagnenleitung des Bündnisses beantwortet fünf Fragen zur Landwirtschaft der Zukunft und wie die Politik sie fördern sollte.

1. Die EU-Länder diskutieren gerade darüber, wie die Landwirtschaft in Zukunft finanziell gefördert wird – ob und wie das aktuelle Fördersystem geändert wird. Muss sich denn etwas ändern und wenn ja, warum?

Richartz: Auf jeden Fall muss sich da etwas ändern! Das sagen eigentlich alle, selbst der EU Rechnungshof. Die EU subventioniert derzeit den Agrarsektor und die ländliche Entwicklung Jahr für Jahr mit rund 60 Milliarden Euro. Hierbei gilt, wer viel Land besitzt, bekommt auch viel Geld – unabhängig davon ob er gewünschte Leistungen erbringt oder nachhaltig wirtschaftet. So profitieren besonders Agrar-Großbetriebe und außerlandwirtschaftliche Investoren, die immer mehr Land aufkaufen. So verliert Europa jedes Jahr viele kleine bäuerliche Betriebe, lebendige Dorfstrukturen und natürliche Lebensräume. Die Folge sind oft Monokulturen, hoher Pestizideinsatz, Artenschwund und Megaställe. Diese Subventionen könnten allerdings auch Gutes tun. Dafür bräuchte es aber ein radikales Umdenken in der Politik und ‒ besonders jetzt wo die EU Agrarreformen anstehen und im Mai ein neues Europaparlament gewählt wird ‒ den Druck der Zivilgesellschaft. Die Bundesregierung muss sich endlich in Europa für die Umverteilung öffentlicher Gelder im Sinne von Nachhaltigkeit und konsequentem Klimaschutz stark machen und eine Politik für Menschen, Tiere und Umwelt machen.

2. Welche Kriterien kommen denn bislang zu kurz und welche spielen eine zu große Rolle?

Richartz: Statt mit Flächensubventionen der Agrarindustrie unter die Arme zu greifen, sollten öffentliche Gelder zukünftig gezielt für den Umbau der Landwirtschaft im Sinne von mehr Tierwohl, Natur- und Klimaschutz investiert werden. Außerdem ist es wichtig bäuerliche Betriebe und nachhaltige, ländliche Entwicklung zu unterstützen         – und zwar nicht nur in Europa. Die EU-Agrarreformen sollten sich darauf konzentrieren, zukünftig landwirtschaftliche Betriebe mit Förderangeboten für konkrete Leistungen zum Schutz von Umwelt, Klima, Biodiversität und zur Verbesserung der Nutztierhaltung ‒ auch über das gesetzliche Maß hinaus ‒ gezielt zu honorieren. Schon bestehende Maßnahmen, wie die Ausweisung von sogenannten ökologischen Vorrangflächen, der Erhalt von Dauergrünland und Fruchtfolgekriterien, müssen ausgeweitet werden und zukünftig zum Pflichtprogramm gehören. Zudem ist es wichtig eine konsequent regionale und saisonale, nachhaltige Produktion, Verarbeitung und Vermarktung zu fördern, statt immer weiter die Globalisierung des Handels zu forcieren. In der Tierhaltung müssen wir weg von klimaschädlichen Futterimporten und Massenproduktion.

3. Wie kann hierbei der Bienen- bzw. Insektenschutz mehr Beachtung finden? Wie sehen bienenfreundliche Agrarsubventionen aus?

Richartz: Die Bienen und ihre Verwandten brauchen unbedingt eine kleinteilige, arten- und blütenreiche Landschaft, und sind somit auf eine Mischung aus Natur und nachhaltig bewirtschaftetem Kulturland angewiesen. Bienenfreundliche Agrarsubventionen würden nicht nur Blühstreifen fördern, sondern gezielt auch Landschaftspflege durch Bauern, Schäfer und Naturschützer honorieren. Wir sollten Obstwiesen, Weide- und Wiesenflächen erhalten, chemiefreie Landwirtschaft und klimaschonende Anbaumethoden fördern und auch in verbesserte Ausbildungs- und Arbeitsverhältnisse investieren. Tierwohl und eine umweltverträgliche Landwirtschaft benötigt oft mehr Arbeitskraft, aber das ist ja durchaus im Sinne von lebendigen Dorfstrukturen und eine nachhaltige ländliche Entwicklung. Es muss sich aber eben auch lohnen.

4. Warum interessieren sich scheinbar plötzlich so viel mehr Menschen für Bienen und andere Insekten?

Richartz: Klar, Insekten, und besonders Bienen, sind Sympathieträger. Aber sie sind eben auch eine klare Messlatte unseres Handelns. Jedes Kind weiß, Bienen brauchen Blumen und haben keine Chance wenn zur Chemiekeule gegriffen wird. Außerdem versteht mittlerweile jeder Mensch, dass der Klimawandel unser Wetter und unsere Jahreszeiten verändert, oft mit dramatischen Konsequenzen für Insekten und den Rest der Natur. Es ist also ein klarer Fall: Wenn Insekten sterben, geht es auch unserem Planeten schlecht.

5. Demonstrationen unter dem Motto „Wir haben es satt“ zeigen, dass immer mehr Menschen sich für die Landwirtschaft und auch die Folgen der Herstellung unserer Nahrung interessieren. Aber sind das schon genug Menschen, um wirklich etwas zu ändern?

Richartz: Wir müssen alle Umdenken! Die Politik und der Ernährungssektor haben da eine besonders große Verantwortung. Die EU-Agrarpolitik dominiert nun einmal das Geschehen in der Landwirtschaft, und nun gibt es die Möglichkeit eine Neuausrichtung sowohl in der Subventionspolitik als auch in der Zielsetzung unseres Handelns voranzubringen. Jeder von uns ‒ die gesamte Zivilgesellschaft ‒ muss sich jetzt Gehör verschaffen. Über alle potentiellen Grenzen hinweg: ob alt oder jung, ob aus Stadt oder vom Land, ob des Tierwohls oder Klimas wegen, ob in Deutschland oder Polen. Wir haben alle Agrarindustrie satt, und wollen sie uns auch nicht mehr leisten. Wir zahlen alle umgerechnet 114 Euro im Jahr an Steuergelder an die Landwirtschaft. Wir sollten einfordern, dass dieses Geld im Sinne einer ökologischeren und bäuerlichen Landwirtschaft ausgegeben wird.

Infos gibt es unter wir-haben-es-satt.de .



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