Wir zeigen Ihnen verschiedene Optionen, wie man den Prozess zur behandlungsfreien Imkerei aktiv mitgestalten kann und so den Weg einschlägt zu varroaresistenten Bienenvölkern.
Die Erforschung der Resistenzmechanismen – viele sind genetisch bedingt und vererbbar – ist sehr weit fortgeschritten. Gleichzeitig haben Züchterinnen und Züchter bewiesen, dass durch Zucht ein hoher Grad an Varroaresistenz erreicht werden kann, ohne dass die Bienen andere gute Eigenschaften wie Sammeleifer und Sanftmut verlieren. Einzelne Züchter verzichten bereits erfolgreich auf die Varroabehandlung oder müssen nur in Ausnahmefällen wenige Völker behandeln.
In wissenschaftlich begleiteten Projekten konnten in ganz Deutschland Carnica- und Buckfast-Völker identifiziert werden, die über eine ausgeprägte varroasensitive Hygiene (VSH) verfügen, also in der Lage sind, infizierte Brut sehr gut zu erkennen und auszuräumen. Die Basis ist gelegt. Jetzt ist der optimale Zeitpunkt, dass alle Imkerinnen und Imker einsteigen und ihren Beitrag zum Langzeit-Ziel behandlungsfreie Imkerei leisten. Schon mit einfachen Maßnahmen kann sich jeder aktiv beteiligen. Je nach zur Verfügung stehender Zeit, imkerlicher Erfahrung und Bereitschaft zum Engagement gibt es verschiedene Möglichkeiten mitzuwirken.
Option 1: Varroasensitive Hygiene (VSH) im eigenen Bestand feststellen
Vorteil: Zucht regional angepasster Bienen, genetische Vielfalt bleibt erhalten
Nachteil: Langsamer Erfolg
Wenn für die Nachzucht die besten Völker aus dem eigenen Bestand ausgewählt werden, spricht man von „Basiszucht“. Um VSH-Eigenschaften bei den eigenen Völkern zu erkennen, prüft man regelmäßig den Varroabefall. Solange pauschal gegen Varroa behandelt wird, können Völker, die Milben in der Brut besser erkennen und ausräumen als andere, nicht identifiziert werden.
Das jedoch ist die Voraussetzung, um zu entscheiden, welche Königinnen umgeweiselt und von welchen Völkern – denjenigen mit den wenigsten Milben – vermehrt werden sollte. So sorgt man am eigenen Stand auch dafür, dass nur „gute“ Drohnen fliegen. Mithilfe biotechnischer Maßnahmen kann die Milbenzahl drastisch reduziert und trotzdem selektiert werden. Sie sind eine gute, wirkungsvolle Alternative zur chemischen Varroabehandlung.
Testmethoden
Kontrolle der Milben auf den Bienen: Um die Entwicklung des Milbenbefalls zu beobachten, werden mittels Puderzucker- oder Auswaschmethode regelmäßig Bienenproben untersucht sowie der natürliche Milbentotenfall auf der Bodeneinlage bestimmt. Eine ausführliche Beschreibung finden Sie zum Beispiel im Methodenhandbuch der AG Toleranzzucht (AGT).
Kontrolle der Milben in der Brut: Der Befall der Brut gibt eine genauere Auskunft über erhöhtes Resistenzverhalten. Dazu sollte mithilfe einer Entdeckelungsgabel regelmäßig ältere Brut herausgezogen und untersucht werden. Auf bienenjournal.de/varroa-bruttest finden Sie eine genaue Anleitung dazu vom VSH-Züchter Paul Jungels.
Bruthygienetest: Eine gewisse Anzahl an Larven in verdeckelten Brutzellen wird mit Nadelstichen oder flüssigem Stickstoff getötet. Nach sechs und zwölf Stunden wird jeweils überprüft, wie viele Zellen ausgeräumt wurden. Geschwindigkeit und Gründlichkeit geben Auskunft über die Bruthygiene (HYG+). VSH-Bienen schneiden beim sogenannten Nadeltest gut ab. Weitere Hinweise dazu finden Sie im Methodenhandbuch der AG Toleranzzucht (AGT).
Option 2: VSH-Königinnen kaufen
Vorteil: VSH-Königinnen verfügen über einen hohen Grad an Varroaresistenz durch professionelle Zucht
Nachteil: Möglicher Verlust von gentischer Vielfalt, wenn nur von wenigen Linien gezüchtet und nicht von eigenen Bienenvölkern selektiert wird
„Meine Kollegin hat letztes Jahr eine dieser sündhaft teuren Königinnen erworben. Der Erfolg hat sich in keinster Weise eingestellt“, ist in einem Imkerforum zu lesen. „Im Grunde sind auf dem freien Markt noch keine echten VSH-Königinnen zu erwerben. Das wird sich im Rahmen des Varroaresistenz-2033-Projekts hoffentlich ändern“, sagt Tino Lorz, Initiator des Projekts. Nur im Rahmen der Mitarbeit in einer VSH-Zuchtgruppe oder durch persönlichen Kontakt zu den Züchterinnen und Züchtern kann man seriöses, geprüftes Material erwerben.
Bei günstigen Angeboten ist Vorsicht geboten. Sehr gute VSH-Königinnen werden derzeit vor allem Belegstellen, VSH-Zuchtgruppen und Anpaarungszonen zur Verfügung gestellt. Wer Königinnen mit ausgeprägten VSHEigenschaften kauft, darf derzeit noch nicht erwarten, dass diese Völker allein mit den Milben klarkommen. Die Behandlung wird einfacher, weil der Befall geringer ist, jedoch bleiben Befallskontrollen unabdinglich.
Übrigens wächst die Milbenpopulation nach dem Einweiseln einer VSH-Königin noch einige Zeit lang an. Um das VSH-Merkmal zu entwickeln, müssen Arbeiterinnen mindestens eine Woche alt sein.
Gut beraten ist man mit dem Kauf von Königinnen bei anerkannten VSH-Züchterinnen und -Züchtern aus der eigenen Region, die einen Abstammungsnachweis liefern können. Dr. Ralph Büchler empfiehlt, von Züchtern zu kaufen, die maximal 100 bis150 km entfernt sind, weil deren Bienen an ähnliche Klimaund Trachtbedingungen angepasst sind.
VSH-Züchter finden
Carnica-Züchter: Eine Züchterdatenbank, in der Zuchtwerte von Carnica- und Mellifera-Königinnen nach einheitlichen Richtlinien erfasst werden, ist BeeBreed. Um Züchter in seiner Region zu finden, die Königinnen mit VSH-Eigenschaften anbieten, sucht man auf der Webseite beebreed.eu zunächst unter „Info“ die Code-Nummern der Zuchtverbände. Dann wählt man unter dem Menüpunkt „Zuchtwerte“ zum Beispiel „Carnica Hauptpopulation“ und „Zuchtwertergebnisse für ausgewählte Königinnen“.
Man gelangt auf einen Kriterienkatalog. Nach Angabe des Länderkürzels und des Landesverbandes klickt man auf „gekört“ und „SMR-Zuchtwerte“, anschließend auf „Suche“. In der Liste der Ergebnisse, liest man in der Spalte „Körung“ unter anderem „Av“. „Das ist die höchste Körklasse“, erläutert Mike Bandte, AGT-Züchter. „Das ‚v‘ steht für Varroaresistenz. Der Zuchtwert liegt hier über dem Durchschnitt, der mit 100 Prozent angegeben wird. Über einen Klick auf die Königin gelangt man zum Kontakt des Züchters.
Dann kann man anfragen, ob der Züchter auch Zuchtstoff der Königin abgibt.“ Ohne viele Eingaben findet man die Kontaktdaten von Carnica-Züchterinnen und -züchtern in der eigenen Region auf der Webseite der AGT über einen Klick auf die Regionalgruppen: toleranzzucht.de/regionalgruppen/zuechterliste
Buckfast-Züchter: Die Kontaktdaten von Buckfast-Züchterinnen und -Züchtern findet man in verschiedenen Datenbanken, zum Beispiel in der Zuchtdatenbank der Gesellschaft der europäischen Buckfast-Züchter e.V. (GdeB), gdeb.eu, unter Zuchtregister.
In der Datenbank der Karl-Kehrle-Foundation, pedigree.karlkehrle.org, lässt sich unter „Public area > Breaders overview > Deutschland“ eine alphabetisch sortierte Liste mit Kontaktdaten aufrufen. Nach einem Klick auf eine der angegebenen Jahreszahlen erscheint eine Tabelle mit den Ergebnissen zur Zuchtwertschätzung und Angaben zu VSH und HYG+.
Option 3: Umlarven von VSH-Zuchtköniginnen
Vorteil: Günstig, geprüftes Material, auch für Imkereien mit wenigen Völkern
Nachteil: Setzt Erfahrung in der Vermehrung voraus
Einige Züchter geben Larven aus geprüften VSH-Völkern ab. Entsprechende Kontaktdaten finden Sie in den Datenbanken der GdeB und der AGT (siehe Option 2). Voraussetzung ist, dass man die Grundzüge der Vermehrung beherrscht: von Umlarvtechniken bis zum Erstellen von Pflegeeinheiten.
Wer nicht weit fahren möchte, kann sich innerhalb des Imkervereins zusammentun, eine VSH-Zuchtmutter kaufen und eigene Umlarvtermine ansetzen. Wenn dazu großräumig Drohnen fliegen, die das VSH-Erbgut weitergeben, ist noch mehr gewonnen. In Kassel, Dresden und der Sächsischen Schweiz gibt es bereits entsprechende Anpaarungsgebiete. Nach diesem Vorbild könnten sich Imkervereine einer Gegend zusammentun und eigene kleine Anpaarungszonen schaffen, in denen sie eine geeignete Menge Völker mit VSH-Merkmalen aufstellen.
Option 4: Mitarbeit in VSH-Zuchtgruppen oder Züchterverbänden
Vorteil: Günstiger Zugang zu geprüftem Zuchtstoff, für Mitglieder von Zuchtverbänden oft kostenlos, Gemeinschaft von Gleichgesinnten mit dem Ziel behandlungsfreier Imkerei, großer Lerneffekt
Nachteil: Größerer Zeitaufwand
Ein sehr guter Weg, um an Material aus einer VSH-Zucht zu kommen, besteht unter anderem darin, sich in Resistenzzucht-Gruppen zu engagieren. Vorkenntnisse sind dazu nicht nötig. Hier kann man auch aktiv mitmachen. Viele helfende Hände werden etwa zum Auszählen von Milben bei Prüfvölkern benötigt.
Auf der Webseite des Projekts Varroa2033, varroaresistenzprojekt.eu, gibt es eine Karte aller Zuchtgruppen, die sich bislang dort eingetragen haben. Auf der Seite der Züchterverbände findet man zudem Links zu den regionalen Verbänden: unter toleranzzucht.de/regionalgruppen und auf der Seite der Gemeinschaft europäischer Buckfast-Züchter, gdeb.eu.
Gut zu wissen: Reserverköniginnen in MiniPlus
In MiniPlus-Beuten können Reserveköniginnen vorgehalten werden, um Völker, die schlecht mit der Varroa klarkommen, umweiseln zu können. Solche Kästchen sind platzsparend, und die Völkchen können darin sogar überwintern. Man kann darin auch unbegattete Königinnen zu VSH-Belegstellen bringen, um sie dort von Drohnenvölkern, die über die gewünschten genetischen Eigenschaften verfügen, begatten zu lassen. Zur Prüfung von VSH-Eigenschaften in den Zuchtgruppen sind MiniPlus-Beuten der Standard.
Anpaarungsoptionen
Belegstelle: Da VSH-Eigenschaften vererbt werden, ist die Begattung von selektierten Königinnen auf VSH-Belegstellen eine gezielte Maßnahme, um die Varroaresistenz der Nachkommen zu verbessern. Sie ist die sicherste Methode.
Anpaarungszone: Weniger aufwendige Varianten – die gerade auf Initiative von engagierten Imkern entstehen – sind Anpaarungszonen, in denen überwiegend Drohnen aus VSH-Völkern fliegen. Ein Beispiel ist die Anpaarungszone in der Sächsischen Schweiz, nur 50km von Dresden entfernt. 2024 werden dort 40 VSH-Drohnenvölker stehen. Der Vorteil ist, dass sie leichter zugänglich sind als Belegstellen und ohne deren strenge Richtlinien, aber ohne Schutzradius. Im Raum Köln sei so etwas für 2025 geplant, teilt der Initiator der Arbeitsgruppe Vitalbiene Schloss Thürnich, Thomas Ladurner, mit. Die Anpaarungszone würde auf einem ökologisch bewirtschafteten Areal eingerichtet, 20 Minuten von Köln entfernt.
Anpaarungsgebiet: Die am wenigsten aufwendigste Methode, bei der man nicht mal seine Völker verstellen muss (Standbegattung), sind Anpaarungsgebiete. In Dresden startet in diesem Jahr ein entsprechendes Projekt, bei dem 100 geprüfte Töchter von VSH-Königinnen im Stadtgebiet verteilt werden, deren Drohnen das Erbgut weitergeben, berichtet Tino Lorz, der Vorsitzende des Imkervereins Dresden e.V. Ab 2025 sollen jährlich ungefähr 300 verteilt werden. Manfred Deichmann vom Imkerverein Kassel e.V. erzählt von einem ähnlichen Projekt im Stadtgebiet Kassel, an dem er beteiligt ist. Dort werden seit 2023 jährlich 100 bis 150 Königinnen aus VSHZüchtungen an Imkerinnen und Imker abgegeben.
Elisabeth Gronau
Abonnieren Sie unseren Newsletter!
Mit unserem Newsletter sind Sie immer auf dem aktuellen Stand.