Welche Bienenkrankheiten sind derzeit für die Imkerschaft relevant – und worüber forscht das Länderinstitut für Bienenkunde in Hohen Neuendorf aktuell? Darüber sprachen wir mit Prof. Dr. Elke Genersch, der Leiterin des Instituts.
Guten Tag, Frau Prof. Genersch, gerade ist Ihr Institutsbericht 2024 im dbj erschienen. Was war Ihr persönliches Highlight im vergangenen Jahr?

Prof. Dr. Elke Genersch: Am meisten habe ich mich darüber gefreut, dass wir unser Projekt zur Evolution der Virulenz von Paenibacillus larvae noch weitere vier Jahre von der DFG, der Deutschen Forschungsgemeinschaft, gefördert bekommen. Zu verstehen, wie P. larvae, der Erreger der Amerikanischen Faulbrut, so gefährlich werden konnte und wieso er nicht ausgerottet werden kann, obwohl er nur einen Wirt hat, treibt mich an. Mit dem Geld können nun zwei Doktorarbeiten finanziert werden, das ist unglaublich! Wir stellen seit 20 Jahren Forschungsanträge bei der DFG – mit großem Erfolg. Damit konnten wir die Grundlagenforschung am Institut sehr voranbringen. Die Fördergelder der Länder verwenden wir für die praxisorientierte Forschung, deshalb sind wir bei der Grundlagenforschung auf Drittmittel angewiesen.
Was genau soll bei P. larvae noch untersucht werden?
Wir wollen herausfinden, wie sich die beiden unterschiedlich virulenten Genotypen ERIC I und ERIC II entwickelt haben. Beide verfolgen unterschiedliche Strategien, mit denen sie die Larven töten. Aber wie konnte das passieren? Welche Faktoren sind für die Virulenz wichtig?
Wir sind weltweit die Einzigen, die P. larvae genetisch manipulieren können. Um Mutanten herzustellen, entziehen wir dem Bakterien-Wildtyp ein Protein, beispielsweise das Protein für die Flagellen – das sind Gebilde auf der Bakterienoberfläche. Wenn die Mutanten eine geringere Virulenz zeigen oder gar nicht mehr in der Lage sind, Larven zu töten, ist das ein Beweis dafür, dass das ein Virulenzfaktor ist. So konnten wir letztes Jahr zeigen, dass Flagellen durchaus die Virulenz beeinflussen. Sie sind notwendig, damit sich die P. larvae-Bakterien im Larvendarm wie ein Schwarm gemeinsam und zielgerichtet zur Darmwand hin bewegen können, um diese dann in einem konzertierten Angriff zu zerstören.
Ergeben sich dadurch auch neue Möglichkeiten zur Prävention und Bekämpfung der Amerikanischen Faulbrut?
Die Erfolge sind nicht so direkt. Aber wenn man nicht versteht, wie eine Krankheit funktioniert, kann man auch keine Bekämpfungsmaßnahmen ableiten. Ein Beispiel: Vor 25 Jahren, als ich mit der Arbeit zu Bienenkrankheiten begann, war die Lehrmeinung verbreitet, dass P. larvae die Bienenlarven nur tötet, wenn die Brut bereits verdeckelt ist. Heute wissen wir: Von 100 Larven tötet das Bakterium 50 bis 80 Larven schon vor der Verdeckelung! Imker können die Krankheit also leicht übersehen.
Sie forschen schon länger an der Durchfallerkrankung Nosemose und den beiden Erregern Nosemose apis und Nosema ceranae. Nun haben Sie zusammen mit argentinischen Projektpartnern ein Protokoll entwickelt, mit dem sich beide Erreger leicht nachweisen lassen. Sie wollen daraus einen Test herstellen, den Imkerinnen und Imker am Bienenstand nutzen können. Warum ist das wichtig?

Wenn im Frühjahr die für Nosemose eigentlich typischen Kotflecken vor dem Flugloch auftreten, dann handelt es sich nur in 50 Prozent der Fälle tatsächlich um Nosemose. Mit dem Test könnten Imker sichere Diagnosen stellen und auch zwischen den Erregertypen N. apis und N. ceranae unterscheiden. Letzterer breitet sich seit 20 Jahren bei uns aus und führt in Südeuropa auch zu Völkerverlusten.
Aber Nosema apis ist hier weiterhin vorherrschend, oder? Völker, die damit infiziert sind, lassen sich durch imkerliche Maßnahmen gut heilen.
Nein, das ist nicht mehr der Fall. Wir sehen nun, dass sich N. ceranae wetter- und klimabedingt immer weiter verbreitet und durchsetzt. Ursache dafür sind Ausnahmewinter, die nicht kalt genug waren, und zu warme Sommer. Trotzdem sind die Auswirkungen hier nicht so wie in den südeuropäischen Ländern. Für Völkerverluste war N. ceranae in den letzten 20 Jahren noch nicht relevant, das zeigen die Ergebnisse aus dem Deutschen Bienenmonitoring. Das kann sich aber ändern, sobald eine noch virulentere Variante des Erregers auftritt. Leider wird daran aktuell nicht geforscht.
Ebenfalls im letzten Jahr haben Sie etwa 200 Bienenproben auf drei neuere Viren untersucht: das Langsame Bienenparalyse-Virus, das Big-Sioux-River-Virus und das Lake-Sinai-Virus. Keines wurde in den Proben nachgewiesen. Hatten Sie damit gerechnet?
Wir haben durchaus gehofft, sie zu finden, aber ich habe nicht damit gerechnet. In Europa kommen diese Viren sehr selten vor – wir wissen noch nicht, ob sie für uns relevant sind. Es hätte aber sein können, dass wir sie jahrelang übersehen und als Krankheitsfaktor nicht beachtet haben. Viren sind nicht jedes Jahr gleichmäßig verbreitet. Es kann also durchaus sein, dass wir Bienenproben aus einem Jahr untersucht haben, in dem sie nur in geringem Maß vorgekommen waren. Deshalb werden wir weitere archivierte Bienenproben aus den letzten 20 Jahren des Deutschen Bienenmonitorings auf die Viren untersuchen. Das dauert zwar lange, ist aber notwendig, damit wir sichergehen können, nichts übersehen zu haben.
Bleibt das Flügeldeformationsvirus damit das relevanteste Virus für uns?
Absolut. Zusammen mit Varroa und dem Akuten Bienenparalyse-Virus führt es hierzulande am häufigsten zu Winterverlusten.
Wie sieht das zukünftig aus; welche Herausforderungen kommen auf die Imkerschaft zu?
Mit den klimatischen Veränderungen werden sich neue Bienenkrankheiten ausbreiten – denken wir zum Beispiel an die Tropilaelaps-Milbe. Wir sehen das auch in anderen Bereichen; auch das FSME-Virus in Zeckenpopulationen nimmt zu. Die Imkerei wird sich auf neue Pathogene einstellen müssen.
Vielen Dank für das Gespräch!
Die Fragen stellte Magdalena Arnold.
Unsere Interviewpartnerin
Seit 2022 leitet Prof. Dr. Elke Genersch das Länderinstitut für Bienenkunde in Hohen Neuendorf. Davor arbeitete sie als stellvertretende Direktorin und Leiterin der Abteilung für Molekulare Mikrobiologie und Bienenkrankheiten. Bevor die Molekularbiologin zu den Bienen kam, forschte sie an menschlichen Viren und anderen Erregern, unter anderem am Max-Planck-Institut.
Den Institutsbericht aus Hohen Neuendorf lesen Sie in unserer Juli-Ausgabe.>>>
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