Untersuchungen an Weichwanzen zeigen, dass das Neonicotinoid Acetamiprid starke Folgen hat. Die aktuelle Risikobewertung von Pestiziden in Europa muss nach Ansicht von Wissenschaftlern der Universität Hohenheim dringend reformiert werden. Wichtig sei es, Gefahren für Insektenpopulationen und die biologische Vielfalt langfristig auszuschließen.
Forscher der Universität Hohenheim haben in Laborversuchen gezeigt, dass das Insektizid Acetamiprid für Weichwanzen über 11.000-mal giftiger ist, als die vorgeschriebenen Tests vermuten lassen. Die Tests werden an Modellorganismen durchgeführt, zu denen unter anderem die Honigbiene gehört. Auch im Feldexperiment reagierten die untersuchten Weichwanzenarten, die eine wichtige Nahrungsquelle für Vögel darstellen, sehr empfindlich auf das Pestizid.
Acetamiprid in der Forschung: Männchen der Weichwanzen empfindlicher als Weibchen
So nahm die Zahl der Weichwanzen in Testflächen, die Feldrändern von behandelten Flächen nachempfunden waren, innerhalb von zwei Tagen um bis zu 92 Prozent ab. Dabei trifft diese Flächen eine um 58 Prozent geringere Pestizidmenge als das behandelte Feld. Diese Menge wird normalerweise nicht mehr als gefährlich angesehen.
Ein Großteil der Weichwanzen ging sogar ein, wenn sie auf Wirtspflanzen gesetzt wurden, die zwei Tage zuvor mit nur 30 Prozent der üblichen Konzentration behandelt worden waren. Zudem zeigte sich, dass selbst engverwandte Wanzenarten unterschiedlich anfällig gegenüber dem Pestizid waren, Darüber hinaus erwiesen sich die Männchen zweier getesteter Arten als 20-mal empfindlicher als die Weibchen.
Das letzte Neonicotinoid
Acetamiprid ist das einzige Neonicotinoid, dass in der EU noch im Freiland eingesetzt werden darf. Angesichts der Verlängerung der Genehmigung bis 2033 fordert das Forschungsteam eine grundlegende Reform des europäischen Risikobewertungssystems. Ein wichtiger Schritt sei, die Tests auf weitere Insektengruppen auszuweiten. Zudem solle der bisher verwendete Unsicherheitsfaktor von 10 auf mindestens 1.000 angehoben werden, um artspezifische und geschlechtsspezifische Unterschiede angemessen zu berücksichtigen.
Ungeschützte Feldränder
Ein weiteres Problem sehen die Forschenden darin, dass Feldränder mit einer Breite von weniger als drei Metern in Deutschland nicht als schützenswerte Habitate gelten. Dabei dienen sie vielen Tieren als wichtige Rückzugsorte in der Agrarlandschaft. „Dadurch bleiben zahlreiche Lebensräume dieser Insekten ungeschützt, obwohl sie einer hohen Belastung durch Abdrift und Oberflächenkontamination ausgesetzt sind“, erklärt Studienautor Prof. Georg Petschenka. Die Studie erschien in der Fachzeitschrift communications earth & environment.
spie
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