Imkern im Naturschutzgebiet: Streitigkeiten nicht selten

19. Februar 2024

Immer wieder gibt es Fälle, in denen das Imkern im Naturschutzgebiet untersagt wird. Das trifft oft auf Unverständnis unter Imkerinnen und Imkern. Sie ärgern sich vor allem darüber, wie mit ihnen umgegangen wird. Die Fronten sind dadurch teils verhärtet. Wir sind einigen Fällen nachgegangen.

Die Diskussionen um Honigbienen in Naturschutzgebieten sind nicht neu. Bereits in den 1980er-Jahren gab es Forderungen, das Aufstellen von Bienenvölkern in solchen Arealen zu verbieten. Vor einigen Jahren nahm diese Diskussion erneut an Fahrt auf. Erst langsam, und nun scheint es immer schneller zu gehen. Während man in Österreich zu einem Dialog gefunden hat (dbj 5/2023, S. 20), sind in Deutschland die Positionen weitgehend verhärtet.

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DBJ Ausgabe 10/2024

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Ende März erschien die Studie „Stehen bewirtschaftete Honigbienen und einheimische Wildbienen in Konkurrenz um Ressourcen?“ (dbj 5/2023, S. 23), die Vorsichtsmaßnahmen bei Naturschutzgebieten anrät. Sie wurde daraufhin vom Spiegel mit der Schlagzeile „Sind Honigbienen schlecht für ihre wilden Verwandten?“ aufgegriffen. Der Titel der Online-Variante fragte etwas schärfer: „Bringen Hobbyimker Wildbienen den Tod?“ Trotz der Fragezeichen am Satzende können solche Schlagzeilen neues Öl ins Feuer gießen. Da wundert es fast nicht mehr, wenn sogar Imker diesen Konflikt für alte Streitereien um Bienenrassen instrumentalisieren. Doch dazu später mehr.

Imkern im Naturschutzgebiet kann Probleme bringen

Blicken wir zunächst fünf Jahre zurück, nach Stuttgart. Dort traf es 2018 unter anderem die Landesanstalt für Bienenkunde in Hohenheim. Sie wurde damals unter unverzüglicher Androhung eines Zwangsgeldes aufgefordert, innerhalb von drei Wochen ihren Bienenstand im Naturschutzgebiet im Körschtal zu räumen. „Hätten sie uns einfach gefragt, hätten wir die Völker geräuschlos weggestellt, und alles wäre gut gewesen, aber es sollte wohl eher ein Exempel in Bezug auf die Imkerei statuiert werden“, erinnert sich Dr. Peter Rosenkranz, damaliger Leiter des Instituts. „Wir hatten kein Problem damit, unsere Bienen wegzustellen, aber wir haben uns gegen das Prozedere verwahrt. Mit uns und auch den anderen betroffenen Imkern kann man schließlich reden.“

Imkern in Naturschutzgebieten
Imkern in Naturschutzgebieten: Dass es dabei zu Streitigkeiten kommen kann, haben schon einige Imker erlebt. Oft ein Problem: Unzureichende Kommunikation. Foto: WoGi – stock.adobe.com

Grundsätzlich hält Rosenkranz es für richtig, in Naturschutzgebieten mit der Bienenhaltung vorsichtig zu sein. Allerdings ärgerte er sich, als sich bei einer Ortsbegehung ganz andere Probleme offenbarten. „Die Streuobstwiesen waren nicht gepflegt und schon gar nicht nach Konzept gemäht. Zudem gab es viele Freizeitaktivitäten, vor allem am Wochenende“, berichtet er. „Da war die Imkerei eher ein Nebenkriegsschauplatz, der durch das Gutachten eines Wildbienen-Beraters eröffnet worden war.“

Zumindest die Pläne einer honigbienenfreien Sperrzone von zwei Kilometern um die Stuttgarter Naturschutzgebiete herum landeten wieder in der Schublade. „Da wäre sogar die Landesanstalt direkt betroffen gewesen, und für die Imkerei am Stuttgarter Stadtrand hätte dies das Ende bedeutet“, erklärt Rosenkranz. „Unser Landwirtschaftsministerium hat aber wohl darauf hingewiesen, dass es für diesen Zwei-Kilometer-Radius keine Rechtsgrundlage gibt.“

Kein „Bee-washing“ mehr

Aktuell steht auch in Hamburg die Bienenhaltung in Naturschutzgebieten in der Diskussion. Dort hieß es Ende März in einer internen Stellungnahme der Umweltbehörde, dass die Imkerei in den örtlichen Naturschutzgebieten verboten werden sollte, um geschützte Wildbienen und ihr Nahrungshabitat zu erhalten. Zudem sei fortan Öffentlichkeitsarbeit notwendig, um gegen das überbordende „Bee-washing“ vorzugehen. Auf diese Weise solle das Aufstellen von Bienenvölkern unter dem Deckmantel des Naturschutzes verhindert werden, heißt es in dem Schreiben.

Edda Gebel, Erste Vorsitzende des Imkerverbands Hamburg, hatte von dem Schreiben nur zufällig erfahren und war entsprechend überrascht. Nach einem Gespräch mit der Behörde berichtet sie: „Man hat uns gegenüber ein Kommunikationsdefizit eingeräumt. Es steht aber fest, dass alle Bienenstände aus den entsprechenden Gebieten raus müssen. Dies soll zumindest in einer verträglichen Art und Weise erfolgen.“

Bedenklich findet sie die Völkerzahlen, mit denen die Behörde arbeitet. „Deren Zahlen liegen 100 Prozent über den Bienenvölkern und 150 Prozent über den Imkereien, die für Hamburg beim Deutschen Imkerbund gemeldet sind“, erzählt Gebel. „Es gibt natürlich nicht organisierte Imker, aber die Behörde rechnet eventuell auch Bienenstände mit, die schon längst nicht mehr existieren. So kommen sie auf elf Völker pro Quadratkilometer, während wir nur von rund vier Völkern ausgehen. Das sind ganz andere Argumentationsgrundlagen.“

Vorsichtsmaßnahmen nicht nur für Naturschutzgebiete gefordert

Als starker Verfechter des Vorsorgeprinzips ist in Hamburg die Deutsche Wildtier-Stiftung ansässig. Sie fordert Vorsichtsmaßnahmen nicht nur für Naturschutzgebiete, sondern auch für kleinflächige Agrarhabitate, trockenwarme Sonderstandorte sowie für zahlreiche städtische Biotope. Dort sollte grundsätzlich keine Bienenhaltung betrieben und zu besonders wertvollen Lebensräumen zusätzlich ein Abstand von drei Kilometern eingehalten werden, heißt es auf der Internet-Seite der Stiftung.

Bei Nutzungskonflikten sieht die Stiftung die Imkerinnen und Imker in der Pflicht, den Nachweis zu erbringen, dass Honigbienen keine Auswirkungen auf die Entwicklung der lokalen Wildbienen-Population haben – eine Forderung, wie sie Imkerinnen und Imker beispielsweise bei der Zulassung bestimmter Pestizide stellen. Die Stiftung betont, dass die Imkerei ein Wirtschaftsfaktor sei und per se keinen Naturschutz betreibe. Zugleich sieht sie die Imkerei aber als wichtigen Verbündeten bei dem Ziel, die Blütenzahl zu erhöhen, und betont, dass sie die Bienenhaltung nicht grundsätzlich verhindern möchte.

Ende des höchsten Bienenstandes: Imkern im Naturschutzgebiet verboten

Richten wir nun den Blick von der norddeutschen Großstadt gen Süden in die Berge Oberbayerns auf rund 1.800 Metern Höhe – dort befand sich Deutschlands höchster Bienenstand. Ein Hangrutsch hatte ihm jedoch den Garaus gemacht. Als die Fachberatung für Imkerei des Bezirks Oberbayern neue Völker auf den Berg transportieren wollte, wurde die Genehmigung hierfür jedoch nicht erteilt. Man hatte in dem Gebiet, neben anderen Wildbienen-Arten, Exemplare von Osmia steinmanni gefunden. Dabei handelt es sich um eines von nur zwei Vorkommen in Bayern. „Solch ein Argument verstehe ich erst einmal“, sagt Dr. Hannes Beims, Leiter der Fachberatung. „Dort oben gibt es auch nur ein eingeschränktes Futterangebot. Es könnte also tatsächlich zu einer Nahrungskonkurrenz kommen.“

Allerdings sieht er zwei Punkte, die untersucht werden sollten. „Laut Literatur sammelt diese Mauerbienen-Art vor allem an Fabaceae mit langen tiefen Blüten, an deren Nektar Honigbienen nur schwerlich herankommen. Es stellt sich also die Frage, ob tatsächlich eine Nahrungskonkurrenz zu erwarten ist, und falls ja, in welchen saisonalen Zeiträumen“, erläutert Beims. Des Weiteren liegt das Kerngebiet dieser Art rund 200 km entfernt in Österreich. Die Art wurde erst 2002 neu beschrieben, und das oberbayerische Vorkommen fußt auf dem Erstnachweis in Deutschland an diesem Standort vom Juni 2012. Es ist bisher nicht bekannt, ob es sich um ein isoliertes Vorkommen einer ehemals größeren Verbreitung handelt oder ob die Art neu eingewandert ist.

Umstrittene Begründungen

Beims betont, dass man die Imkerei stets mit Augenmaß betreiben und in sensiblen Gebieten nur wenige Bienenvölker aufstellen sollte, solange man über die dortige Situation nicht genauer Bescheid weiß. Pauschale Komplettverbote lehnt er jedoch ab. So ärgert ihn die Kündigung des Bienenstandes eines Berufsimkers in einem Naturschutzgebiet im Münchener Umland. „Es handelt sich dort um kein Spezialhabitat; da blüht es im Überfluss“, kritisiert der Fachberater. „Es gibt auch keinerlei Erhebung, welche Tiere oder Pflanzen in diesem Gebiet überhaupt vorkommen, sodass niemand weiß, ob von einer saisonalen Konkurrenz ausgegangen werden kann.“

Der Berufsimker sowie die Grundstücksverwaltung hatten von der Unteren Naturschutzbehörde die Aufforderung erhalten, den Bienenstand zu räumen. Die Behörde bezog sich in ihrer Begründung unter anderem auf das Bundesnaturschutzgesetz. Demnach sei es nicht gestattet, in dem Gebiet bauliche Anlagen zu errichten und Tiere auszusetzen. Die Einrichtung eines Bienenstandes verstoße gegen beide Verbote. Um die Bienen dort weiter halten zu können, schreibt die Behörde, benötige der Imker eine Ausnahmegenehmigung von der Oberen Naturschutzbehörde.

Ausnahmegenehmigung in der Diskussion

Beims kann die Begründung nicht nachvollziehen. „Zum einen erfüllt der Bienenstand des betroffenen Imkers nicht die Voraussetzung des Baugesetzbuches, um als bauliche Anlage eingestuft zu werden“, führt er aus. „Der Stand wurde von einem Naturschutzwart bei der Unteren Naturschutzbehörde gemeldet, die das dann leider ungeprüft übernommen hat.“ Zum anderen beziehe sich das Verbot des Aussetzens von Tieren auf Arten, die in den vergangenen hundert Jahren nicht in dem Gebiet vorkamen, erläutert Beims weiter. Das treffe auf die Honigbiene als heimische Art nicht zu. In diesem Sinne sieht er keine Grundlage dafür, eine Ausnahmegenehmigung durch die Obere Naturschutzbehörde zu erhalten, da gegen keinerlei Gebote verstoßen werde.

Beims vermutet, dass zurzeit mehrere Imkerinnen und Imker solche Schreiben erhalten und aus Unkenntnis der gesetzlichen Lage und Angst vor Strafen ihre Stände räumen. Der betroffene Berufsimker hat seine Völker hingegen nicht entfernt. Sollte die Behörde nun ein Ordnungswidrigkeitsverfahren einleiten, will er den Klageweg beschreiten.

Imker gegen Imker

Ein anderer, besonders gelagerter Fall in Oberbayern dreht sich um die Belegstelle für Buckfast-Bienen im Naturschutzgebiet „Östliche Chiemgauer Alpen“. Sie bestand bereits seit 20 Jahren und sollte nun staatlich anerkannt werden, um so einen Schutzkreis von zumindest fünf Kilometern zu erhalten. Dagegen gingen jedoch örtliche Carnica-Imker auf die Barrikaden. Sie veranlassten schließlich eine artenschutzrechtliche Beurteilung des Belegstellenbetriebs durch die Naturschutzbehörden. Diese kamen zu dem Schluss, dass „der Unterhalt von Belegstellen mit Intensiv-Bienenrassen, wie den genannten Carnica und Buckfast, im Schutzgebiet rechtlich nicht möglich“ sei, und forderten den Forstbetrieb als Grundstücksverwalterin auf, der Belegstelle zu kündigen. Ein überwiegendes öffentliches Interesse an Belegstellen in einem hochsensiblen Bereich der Natur sei nicht ersichtlich, heißt es vonseiten der Behörden.

Das dortige Geschehen macht Stefan Spiegl, Präsident des Landesverbandes Bayerischer Imker, regelrecht fassungslos. „Wenn solche Entscheidungen Schule machen, steht der Fortbestand vieler Belegstellen auf der Kippe“, sagt er. „Die Bayerischen Forsten haben explizit bei der Behörde nachgefragt, ob sie jetzt anderen Imkern kündigen müssen, aber es hieß dann immerhin, das seien jeweils Einzelfallentscheidungen.“ Zumindest die Bayerischen Staatsforsten, die viele Standplätze in Naturschutzgebieten vergeben, zeigten sich bislang kooperativ und boten mögliche Ersatzflächen an. Doch nicht immer liegt so eine Fläche in akzeptabler Entfernung für die betroffenen Imkerinnen und Imker, und eine Belegstelle lässt sich nicht an jedem beliebigen Ort einrichten.

Belegstelle rechtlich nicht zulässig?

Spiegl bat beim Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz um eine Stellungnahme. In der Antwort hieß es, dass sowohl die Gebiete „Am Schachen“ als auch in den Chiemgauer Alpen hinsichtlich ihrer Insektenfauna gut untersucht seien. Die Beeinflussung der Wildbienen-Gemeinschaften durch Honigbienen solle dort so weit wie möglich reduziert werden. Das Ministerium wies zudem darauf hin, dass der Betrieb der Belegstelle rechtlich nicht zulässig gewesen sei. Forst- und landwirtschaftliche Nutzung, zu der die Bienenhaltung gehöre, seien lediglich gestattet, wenn die Flächen bereits zum Zeitpunkt der Einrichtung des Naturschutzgebietes bestanden hätten – und auch dann nur in der Art und dem Umfang, die bis dahin praktiziert worden seien.

So stehen die Buckfast-Imker in Bayern vorerst weiterhin ohne eine einzige gesetzlich geschützte Belegstelle da, obwohl sie gut 20 Prozent der Imkerschaft im Freistaat ausmachen. Sie wägen daher noch ab, ob sie gerichtlich gegen die Entscheidung vorgehen. Spiegl kann dies nachvollziehen, gibt aber zu bedenken: „Wir haben mehrere Belegstellen, die in oder an Naturschutzgebieten stehen. Wenn es zu einem negativen Urteil kommt, müssten wir mehrere Belegstellen sofort räumen und bei über der Hälfte überlegen, ob diese wegmüssten. Diese liegen an oder im Flugradius von Naturschutzgebieten. Dann wäre 75 Prozent unserer Zuchtarbeit in Bayern tot.“

Spiegl ist überrascht, wie wenig Verständnis vor Ort für die Zuchtarbeit herrscht, unabhängig von der jeweiligen Rasse. „Die bayerischen Imkerverbände hatten einvernehmlich eine Unterstützung zur Erlangung einer staatlich anerkannten Belegstelle für Buckfast zugesagt“, betont Spiegl. An einem runden Tisch mit unterschiedlichen Akteuren wollte sich die Naturschutzbehörde nicht beteiligen. Sie sagte im Vorfeld ab, da die Lage klar sei und eine weitere Diskussion daran nichts ändern würde.

Imkern im Naturschutzgebiet: Dialog ist notwendig

Die Diskussionen um eine mögliche Nahrungskonkurrenz beschränken sich nicht auf Deutschland. Auch in einigen Nachbarländern wird teils heftig diskutiert. In den Niederlanden hatten sich bereits Vertreter von Imkerei und Wissenschaft in größerer Runde getroffen, um das Thema sachlich anzugehen. Doch jüngst heizte eine Aufforderung an Imkervereine die Stimmung wieder auf, möglichst keine Bienenvölker in ein Heidegebiet in der Nähe von Arnheim zu stellen oder schriftlich eine Genehmigung zu erfragen. Die gezeigten Fälle machen deutlich, dass ein intensiver Dialog dringend notwendig ist. Die österreichischen Imkerverbände haben mit der Gründung der AG Bienenvielfalt eine Plattform geschaffen, auf der sich Vertreterinnen und Vertreter der Imkerei und des Wildbienen-Schutzes austauschen und zusammenarbeiten. Dies scheint ein gutes Konzept zu sein, um das eigentliche Ziel gemeinsam voranzubringen: die Umweltbedingungen für alle Bestäuber zu verbessern.

Sebastian Spiewok

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