Wie sehen Bienen die Welt?

18. Februar 2020

Haben Sie sich jemals gefragt, wie wohl die Welt durch die Augen einer Biene aussähe, oder wie Bienen den Stand der Sonne auch hinter einer Wolkendecke erkennen? Hier erfahren Sie Antworten auf die Frage: wie sehen Bienen ihre Umwelt?

Honigbienen sind bei allen Aufgaben außerhalb des Bienenstockes darauf angewiesen, ihr Ziel – egal ob Blüte, Stockeingang oder Wasserstelle – zu erkennen. Für die Orientierung besitzen sie zwei Formen von Lichtsinnesorganen: die paarigen, seitlich am Kopf sitzenden Komplex- oder Facettenaugen und drei kleine Punktaugen, auch „Ocellen“ genannt, auf der Stirn. Beide Augentypen erfüllen unterschiedliche Funktionen.

Wie sehen Bienen Zeit und Raum?

Die Ocellen werden durch eine Linse gebildet, hinter der bis zu 800 Sehzellen liegen. Bei Bienen sind die Ocellen im Dreieck auf der Stirn angeordnet. Sie können vermutlich die Lichtintensität messen und aufgrund ihrer Platzierung auf der Stirn die Tageslänge und Tageszeit durch die Veränderung der Helligkeit registrieren. Die Ocellen dienen vermutlich auch dazu, die Lage des Horizontes zu ermitteln. So helfen sie den Bienen – wie der künstliche Horizont in einem Flugzeug – eine stabile Fluglage zu halten.

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Bienen sehen komplexe Bilder

Die zwei Komplexaugen der Biene sind aus vielen Einzelaugen, sogenannten Ommatidien, zusammengesetzt und bedecken einen Großteil ihres Kopfes. So kann die Biene nach oben, unten und zu den Seiten gleichzeitig sehen. Jedes Ommatidium ist ein winziges Auge mit Linse und Sinneszellen für sich.

Entsprechend nimmt jedes Einzelauge nur einen sehr kleinen Teil der Umgebung auf. Während unser menschliches Auge wie eine Kamera mit einer Linse das Licht sammelt und ein Bild auf die Netzhaut wirft, besteht das Komplexauge aus Tausenden von Kleinkameras. Das Gehirn der Biene setzt daraus ein großes Bild ihrer Umgebung zusammen – wie ein Puzzle aus Tausenden kleinen Einzelbildern.

Die Augen der Biene bilden die Umwelt als ein Raster ab: Alles ist gleich scharf, aber sehr pixelig. Details kann die Biene nur aus unmittelbarer Nähe deutlich erkennen. Da Bienen in ihren Augen eine starre Linse haben, können sie nicht wie Menschen Objekte in unterschiedlichen Entfernungen fokussieren. Die Zahl der Einzelbilder entscheidet darüber, wie hoch die Auflösung oder die Schärfe des Gesamtbildes ist. Je mehr Ommatidien im Komplexauge sind, desto schärfer ist das Bild.

Bienen sehen fast zehnmal schneller als ein Mensch

Wie sehen Bienen: Schema eines Komplexauges
Schema eines Komplexauges. Abbildung aus: Der schweizerische Bienenvater

Arbeiterinnen besitzen etwa 5.000–6.000 Ommatidien, das reicht aus, um sich bei Sammelflügen zu orientieren und um Blüten zu erkennen. Die Königinnen haben nur etwa 3.500–4.000 Ommatidien. Da sie nach der Paarung den Stock nicht mehr verlassen müssen, brauchen sie auch keine perfekte Sicht. Drohnen allerdings haben bis zu 10.000 Einzelaugen. Die große Anzahl an Ommatidien ist notwendig, um beim Paarungsflug die Königin zu erkennen und gezielt anfliegen zu können. Dabei kommt den Drohnen zugute, dass dieser Augentyp ideal für schnell fliegende Insekten ist.

Das Komplexauge eignet sich hervorragend, um die Welt scharf zu sehen, während man sich bewegt, oder um Bewegungen zu erkennen. Eine Biene kann bis zu 200 Einzelbilder pro Sekunde verarbeiten. Zum Vergleich: Ab etwa 15–24 Bildern pro Sekunde kann ein Mensch in einer Abfolge keine Einzelbilder mehr wahrnehmen. So viele Bilder braucht es, um einen Menschen im Kino oder Fernsehen einen Film sehen zu lassen. Für eine Biene wäre jeder Kinofilm dagegen eine langatmige Diashow.

Bienen sehen schwingendes Licht

Bienen können auch sogenanntes polarisiertes Licht erkennen. Licht ist eine Transversalwelle, das heißt, es schwingt senkrecht zu seiner Ausbreitungsrichtung. Wie Wasser bewegt es sich auf und ab, gleichzeitig breitet sich die Welle horizontal aus. Durch die Brechung an der Erdatmosphäre wird dem Licht eine senkrechte Schwingrichtung aufgezwungen, es wird also polarisiert. An jedem Punkt des Himmels bleibt nur eine Schwingungsrichtung, und es entsteht ein Muster aus Kreisen um die Sonne am Himmel (siehe Abb. 2). Dieses Polarisationsmuster kann die Biene sogar bei Wolken erkennen oder wenn sie nur einen kleinen Teil des Himmels sehen kann. So kann die Honigbiene den Sonnenstand bestimmen und sich beim Flug orientieren.

Im Prinzip ist jedes Einzelauge für alle Wellenlängen und Polarisationsrichtungen empfindlich.


Möglich ist die Wahrnehmung des polarisierten Lichtes nur durch den speziellen Aufbau der Ommatidien. Jedes Ommatidium im Komplexauge der Biene verfügt über eine Linse und einen Kristallkegel, der von Pigmentzellen abgeschirmt wird. Daran schließen sich die Sehzellen an, die ebenfalls durch Pigmentzellen geschützt sind. Die nach innen gerichteten Wände der Sehzellen, auch „Rhabdomere“ genannt, bilden einen lichtempfindlichen Zylinder, den sogenannten Sehstab oder das Rhabdom. In dessen bürstenförmiger Zellwand ist der Sehfarbstoff einlagert. Im Prinzip ist jedes Einzelauge für alle Wellenlängen und Polarisationsrichtungen empfindlich. Doch durch Verdrehung der Sehzellen um die Längsachse wird nur noch das Licht einer bestimmten Polarisation je Zelle wahrgenommen.

Wie sehen Bienen?: Ein Faible für Muster

Wie sehen Bienen: Das Farbsehen von Mensch und Bienen im Vergleich.
Das Farbsehen von Mensch und Bienen im Vergleich: Die Pfeile zeigen die jeweiligen Empfindlich­ keitsmaxima der Sehzellen. Grafik: Franziska Weber

Blüten heben sich durch ihre Farben und Formen von der Umgebung ab, und die Honigbiene hat Wege gefunden, diese Unterschiede präzise wahrzunehmen und ihr Verhalten darauf auszurichten. Blüten ähnlicher Farbe haben oftmals unterschiedliche Formen; das erleichtert es der Biene, sie zu erkennen. In Versuchen mit Blütenattrappen zeigte sich: Honigbienen finden strukturreiche Muster interessanter als einförmige. Viele kleine Kreise wirken attraktiver als ein großer, und ein zwölfstrahliger Stern zieht Bienen stärker an als ein sechsstrahliger. Strahlenförmige oder eingeschnittene Formen, wie man sie häufig bei Blüten findet, können Bienen besonders gut unterscheiden. Kompakte und gefüllte Formen wie ein Rechteck oder einen Kreis dagegen nur schlecht.

INFO Bienenfarben: Blüten besitzen aus Sicht der Biene andere Farben, als wir sie sehen. In den Ommatidien der Honigbiene und auch im menschlichen Auge ermöglichen drei Sehfarbstoffe das Farbensehen. Allerdings reagieren diese bei Mensch und Biene unterschiedlich auf verschiedene Wellenlängen des Lichtes.

Farbeindruck für Menschen Farbeindruck für Bienen
Grün, Gelbgrün Grau­Grün („Bienengrau“)
Gelb „Bienenpurpur“ (für Menschen nicht wahrnehmbar)
Blau (ohne UV­Anteil) Blau („Bienenblau I“)
Blau (mit UV­Anteil)
„Bienenblau II“ (für Menschen nicht wahrnehmbar)
Rot Schwarz

Farbmuster auf den Blütenblättern helfen den Bienen, Pollen und Nektar zu finden. Sie weisen ihnen den Weg zum richtigen Landeplatz auf der Blüte. Diese Farbmale (Pollenund Saftmale) auf den Blütenblättern sind für uns Menschen nur bedingt sichtbar, da sie häufig ultraviolette Anteile enthalten. Was für uns ein einfarbiges Blütenblatt ist, kann für die Biene eine deutliche Musterung aufweisen.

Beim Sammelflug helfen der Biene also ihr scharfer Blick bei hoher Geschwindigkeit und ihre Fähigkeit, komplexe Muster und unterschiedliche Farben zu erkennen, die Blüten in der Wiese zu finden. Und durch das Erkennen des Polarisationsmusters am Himmel kann sie die Position der Blüte auch genau an ihre Schwestern im Stock mitteilen.

Dr. Marika Harz
Franziska Weber

Wussten Sie schon?

Für Menschen rein rote Blüten sind für Bienen schwarz und wer­ den nur angeflogen, wenn sie UV­ reflektierende Saftmale besitzen. Diese Markierungen wirken aus Sicht der Biene wie Leuchtsignale auf dunklem Untergrund.



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