Frühtracht für Bienen unter Druck

05. Mai 2020

Ein Kommentar von Silke Beckedorf, Chefredakteurin des Bienen-Journals, zum Titelthema der Ausgabe 05/2020.

Raps ist für Imker die wichtigste Bienenweide im Frühjahr. Gleichzeitig haben Imker Sorge, dass Landwirte spritzen. Die Frühtracht für Bienen steht unter Druck. Der Rapsanbau geht seit Jahren kontinuierlich zurück – und hinterlässt eine Lücke für die sich im Aufbau befindlichen Bienenvölker.

Wenn es um Raps geht, bleiben Imker eigentlich nie neutral. Zu wichtig ist die landwirtschaftliche Tracht im Frühjahr. Der Rapsanbau ist in den letzten Jahren massiv zurückgegangen. Das betrifft Imker direkt, denn der Großteil aller Frühjahrshonige in Deutschland enthält zu einem hohen Anteil Raps.  Andererseits sorgen sich viele Imker, dass ihre Bienen durch den Pflanzenschutz im Raps geschädigt werden könnten. Das führt vielfach zu einer etwas schizophrenen Situation: Die Imker wollen Raps – und verteufeln den Landwirt.

Frühtracht für Bienen: Veränderungen im Rapsanbau

Frühtracht für Bienen unter Druck: Rapsglanzkäfer
Rapsglanzkäfer an einer Rapsblüte. Der Käfer frisst den Pollen, den Stempel und die Fruchtknoten der Blüten, was zu Schäden in der Landwirtschaft führen kann. Rapsglanzkäfer werden mit Insektiziden bekämpft. Foto: Sabine Rübensaat

Die Gründe dafür, dass sich der Anteil gelb blühender Flächen in der Agrarlandschaft von 2013 zu 2019 um ein Drittel reduziert hatte, reichen von Problemen auf dem Weltmarkt (Bioenergiepflanzen aus Übersee machen dem Rapsöl Konkurrenz), über die Klimaveränderung (trockene Böden zur Aussaat im Herbst führten 2018 zum Umbruch großer Flächen) bis hin zur Unzufriedenheit mit den Ernteergebnissen.

Vor einigen Jahren konnten Landwirte Raps aussäen, der mit Neonicotinoiden gebeizt worden war. Beizen ummanteln das Saatkorn, die wachsende Pflanze nimmt das Insektizid in sich auf. Fressen Schädlinge an ihr, werden sie vergiftet. Die Beizen wurden verboten, weil sie in den Verdacht gerieten, Bienen zu schädigen. Heute behandeln Landwirte Schädlinge mit Spritzmitteln, die auf dem gesamten Feld ausgebracht werden. Das stört viele Imker. Fakt ist jedoch: Ohne Pflanzenschutz wird es in Deutschland keinen nennenswerten Rapsanbau geben. Was sollten Imker also tun?

Frühtracht für Bienen: Im Gespräch mit Landwirten

Auch im Umfeld meiner Bienen wächst Raps. Wenn ich zurzeit aus unserem Gartentor trete und den Kopf nach links drehe, kann ich es am Ende der Straße schon gelb leuchten sehen. Ich käme niemals auf die Idee, den Landwirt oder seine Mitarbeiter zu beschimpfen, wenn ich sie mit einem Traktor die Rapsfelder spritzen sehen würde. Nachfragen würde ich aber schon. Ich habe mir die Telefonnummer und die E-Mail unseres Landwirtes besorgt und habe mich freundlich und höflich ins Gedächtnis gerufen, bevor die Blüten sich öffneten. Er kennt mich und weiß, dass ich die Unterschiede zwischen Insektiziden und Fungiziden verstehe und dass ich mitreden kann, wenn es darum geht zu besprechen, wie wir alle glücklich werden: Wir Imker hier im Dorf mit unseren Bienen (ja, es gibt hier gleich mehrere von uns) und er mit einer guten Ernte.

Frühtracht für Bienen unter Druck: Chefredakteurin Silke Beckedorf
dbj-Chefredakteurin Silke Beckedorf. Foto: Sabine Rübensaat

In der Redaktion erreichen uns immer wieder mal Anrufe von Imkern, die meinen, die wahren Schuldigen für ihre Bienenverluste zu kennen. Sie sind sich sicher, dass die Spritzmittel ihre Bienen töten oder die Völker soweit schwächen, dass sie irgendwann zusammenbrechen.

Ich glaube, dass man mit einer solchen Position im direkten Dialog mit Landwirten nicht weiterkommt. Diese Debatten zu führen ist wichtig, aber sie gehören auf Ebene der Landwirtschaftspolitik. Und dort finden Bienenschützer zurzeit viel Gehör. Etliche Wirkstoffe sind bereits verboten worden.

Landwirt und Imker auf Augenhöhe

Für die Maiausgabe des Deutschen Bienen-Journals sprach ich mit einem Landwirt, der zugleich Imker ist. Er erzählte davon, wie es sich anfühlt, von der Gesellschaft als Schuldiger für alle möglichen Miseren ausgemacht zu werden – zugleich aber von der Politik nicht die nötigen Rahmenbedingungen zu bekommen, die er bräuchte, um die Forderungen der Gesellschaft umzusetzen. Gemeinsam mit anderen Landwirten engagiert er sich daher bei der Initiative „Land schafft Verbindung“. Auch wenn sich die Initiative zurzeit intern zerstritten hat – sie hat schon jetzt viele interessante Impulse gesetzt, die auch das Gespräch zwischen Imker und Landwirt bereichern können.

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Gemeinsam reden statt Bauernbashing

„Wir sollten miteinander reden, nicht übereinander“, sagte Frank Böcker – so heißt mein Interviewpartner. Wenn die Gesellschaft über Bauern redet, und nicht mit ihnen, führt das häufig zu „Bauernbashing“, ein Begriff, den die agrarzeitung bereits 2015 als „neuen Volkssport“ bezeichnete. Böcker sagt, er kenne aus seinem Kollegenkreis und aus eigener Erfahrung genügend Beispiele, bei denen auch Imker beteiligt waren. „Du spritzt unsere Bienen tot“, war eine der milderen Beschimpfungen. Ein Bauer wurde in der Ortspresse seines Wohnortes öffentlich als Schuldiger für den Tod der Bienen des örtlichen Imkers vorgeführt. Schließlich, sagt Böcker, habe sich herausgestellt, dass der Grund für den Tod der Völker ein anderer gewesen sei.

Fundiertes Wissen und ein respektvoller Umgang

Verstehen Sie mich nicht falsch! Es gibt durchaus Fälle von Bienenvergiftungen, die Landwirte zu verantworten haben. Es ist wichtig, die Verursacher zur Verantwortung zu ziehen. Und auch die Debatten, wie unsere Landwirtschaft aussehen sollte und welche Auswirkungen sie auf unsere Bienen hat, sind gerechtfertigt. Aber all das sollte mit ein bisschen Fachwissen und vor allem mit Respekt geschehen. Um einschätzen zu können, ob tatsächlich ein Vergiftungsfall vorliegt, braucht es ein gerütteltes Maß an Wissen – auch beim Imker. Wenn ich jemanden beschuldige, sollte ich mir meiner Sache sicher sein – das ist zumindest meine Meinung. Wie würden Sie es finden, wenn eine aufgebrachte Truppe an Ihrem Zaun rütteln würde und Sie beschuldigen würde, ohne überhaupt den Dialog mit Ihnen gesucht zu haben? Oder noch besser: Die Kritiker laufen gleich zur Ortspresse und dort erscheint ein Artikel darüber, was der Imker des Ortes (es gibt nur einen) mal wieder auf dem Kerbholz hat. Wie muss man sich da beim nächsten Gang zum Bäcker fühlen?

Frühtracht für Bienen unter Druck: Bauerndemonstration
Mit ihren Traktoren waren die Landwirte und Landwirtinnen Ende des Jahres 2019 in ganz Deutschland unterwegs, u.a. in Berlin. Foto: Sabine Rübensaat

Ich selbst habe oft festgestellt, dass Landwirte sehr verhalten reagieren, wenn ich mich als Vertreterin der Imkerfachpresse zu erkennen gebe. Redet man länger, kommt heraus, dass die meisten Landwirte solche Erlebnisse haben.

Hinterfragen und Anerkennen

Einige der Forderungen, die Frank Böcker und seine Kollegen bei Land schafft Verbindung stellen, finde ich daher höchst nachvollziehbar: Zuerst einmal: redet mit uns, nicht über uns. Wir wollen mit euch an einem Strang ziehen – aber dann muss die Sache auch bis zum Ende durchdacht sein – so müssen die Preise, die für die Produkte verlangt werden können, den Lebensunterhalt des Landwirtes decken. Sprich: es geht nicht, wenn die Gesellschaft ökologische Landwirtschaft fordert, aber nur konventionelle bezahlt.  

Andere Forderungen der Bauerninitiative lassen sich kritisch diskutieren. Dass die Ursachen für das Insektensterben nicht nur bei den Landwirten liegen ist klar. Aber ein solches Argument darf nicht missbraucht werden, um die Schuld von sich zu weisen. Es gibt viele Punkte, die in unserer ausgeräumten Maislandschaft verbesserungswürdig sind, und auch die Landwirte sollten sich ihres Anteils daran durchaus bewusst sein.

Mit Freundlichkeit ans Ziel – gut für Mensch und die Frühtracht für Bienen

Aber zurück an das Rapsfeld hier an meinem Dorf: Die Honigräume der Wirtschaftsvölker füllen sich langsam. Im Feld summt es laut und die Bienen kommen mit gelben Pollenhosen aus den Rapsfeldern zurück. Der Landwirt bei uns hat bisher noch nicht angerufen.

Frühtracht für Bienen unter Druck: Rapsfeld
Gelbes Blütenmeer – das Rapsfeld in der Nähe. Foto: Silke Beckedorf

Ich hoffe nun, dass es keine Blütenspritzung geben wird. Und wenn doch, dann müssen ich und meine Bienen damit leben. Wenn ich mit dieser Situation unzufrieden bin, dann muss ich mich politisch dafür starkmachen, dass – zum Beispiel – die Analyse des Honigs hinterher staatlich finanziert wird und ich diese nicht aus meiner Tasche bezahlen muss. Als Imkerin werde ich mit meinem Landwirt im Kontakt bleiben. Vielleicht stecke ich ihm die Maiausgabe des Deutschen Bienen-Journals in den Briefkasten. Darin sagt Frank Böcker, der Interviewpartner, dass er als Landwirt und Imker immer darauf achtet, genügend Raps anzubauen, damit auch die anderen Imker der Umgebung etwas davon haben, und dass er an den Rapsfeldern stets auf Blütenspritzungen verzichtet. Dahin möchte ich auch kommen, und zwar immer nach dem Motto: „Freundlich kommt man auch zum Ziel“.

Silke Beckedorf

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