Heideimkerei: Imker in der Lüneburger Heide

12. August 2020

Hinnerk Völker und Klaus Ahrens sind Berufsimker in der Lüneburger Heide. Sie gehören zu alten Imkerfamilien, die dort seit Jahrhunderten Heidehonig ernten. Ein Interview mit Hinnerk Völker zum Thema Heideimkerei finden Sie hier.

Hinnerk Völker ist jung, gerade einmal 30 Jahre alt. Trotzdem ist er ein Heideimker wie aus dem Bilderbuch: groß, ruhig, etwas wortkarg, nicht besonders überschwänglich. Wenn er redet, bleibt kein Zweifel, wofür sein Herz schlägt: „Die Heide ist meine Lieblingspflanze, und Heidehonig ist mein Lieblingshonig“, sagt der Hermannsburger, Enkel eines Berufsimkers und selbst seit Kindesbeinen mit den Bienen vertraut. An zehn Ständen stehen die rund 300 Bienenvölker der Berufsimkerei, die heute seiner Tante und seinem Onkel gehört, alle im Umkreis von zwei Stunden Fahrtzeit um Hermannsburg. Hier, in Oberohe, klettern seine Bienen Anfang August auf den Heidepflanzen herum und suchen den besten Zugang zu den glockenrunden Blüten. Die Beuten sind nicht zu sehen. „Die stehen im Wald“, sagt Völker.

Heideimkerei Hinnerk Völker Foto: Suzanna Lauterbach
Hinnerk Völker an seinem Bienenstand. Foto: Suzanna Lauterbach

Zwei Minuten Autofahrt später, eine breite Schneise im Kiefernforst: Rund zwei Dutzend grün gestrichene Beuten stehen s-förmig arrangiert auf Paletten. Keine Heide in Sicht. „150 Meter nach da“, sagt der junge Heidjer und streckt den Arm aus. Tatsächlich, dorthin fliegen die Bienen. Dass der Stand etwas abseits liegt, schätzt der junge Imker, der bereits seinen Meistertitel hat. So stolpern keine Touristen über die Beuten, und er kann in Ruhe an seinen Bienen arbeiten. Sie leben in flachen Zargen, 2/3 Langstroth – das Maß von Wolfgang Stöckmann, bei dem Völker seine Ausbildung gemacht hat. „In zehn Tagen ist hier was drin, da bin ich relativ sicher“, sagt Völker.

Heideimkerei in der Schmarbecker Heide

Nur wenige Kilometer Luftlinie entfernt, einen Tag später. Erst kürzlich hat Klaus Ahrens die letzten Völker in die Schmarbecker Wacholderheide gebracht. Ein schmaler Sandweg begrenzt die Fläche, zwei Fahrspuren, eingegraben in den weißen Sand. Aus einem Forstweg, der auf diesen Weg mündet, kommen die Bienen geschossen. Sie katapultieren sich in die Sonne hinaus, die auf die große lilafarbene Ebene brennt. Schnell verteilen sich die glitzernden Lichtpunkte in den duftenden Blüten. Auch Ahrens ist zuversichtlich, dass die Ernte gut wird. Am Vortag hat es geregnet, und die Pflanzen verströmen einen süßen Nektargeruch.

Heideimkerei Schmarbecker Heide Foto: Suzanna Lauterbach
Die Völker von Klaus Ahrens in der Schmarbecker Heide. Foto: Suzanna Lauterbach

Seine Segeberger Beuten stehen, auf Paletten verteilt, am Rande des Forstweges. Ein Dauerbrummen umgibt die rund 20 Beuten. Elf Stände hat Klaus Ahrens, Heideimker in dritter Generation, in der Umgebung verteilt.

Alte Imkerdynastien der Heideimkerei

Heideimkerei ist ein ganz besonderer Zweig der Bienenhaltung. Wie vielleicht kein anderer Bereich der Imkerei in Deutschland gilt sie als verwoben mit alten Traditionen, mit besonderen Methoden und mit ganzen Dynastien von Berufsimkern, die über Jahrhunderte hinweg den Umgang mit Körben und Schwärmen prägten. Bis heute leben in der Lüneburger Heide Imkerfamilien, die das alte Bienenwissen von ihren Vätern übernahmen – und die begehrten Standplätze gleich mit. Anfang des 20. Jahrhunderts gab es allein in der Region Müden/Hermannsburg mindestens 17 Berufsimker, die zumindest im Sommer von der Imkerei gelebt haben. Heute sind nur noch zwei übrig: Das eine ist der Betrieb Völker, der andere die Berufsimkerei von Ahrens.

Die Heidebetriebsweise

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In den Heidebetrieben ist alles auf den Monat August ausgerichtet. Jetzt, im Spätsommer, müssen die Völker stark sein. Die Devise lautet: „Pollenreich durch den Sommer.“ Die Milbe darf bis zu diesem Zeitpunkt nicht die Kontrolle übernommen haben, denn wenn andere Imker ihre Bienen auf den Winter vorbereiten, steht den Heidevölkern das wichtigste Ereignis des Jahres noch bevor. Zahlreich und stark sollten die Völker in dieser Region bis Anfang August sein.

Im Frühjahr saßen die Korbimker früher vor ihren Völkern und warteten auf Schwärme, je mehr, desto besser. Heute macht das kein Berufsbetrieb mehr. Aber alle kennen Imker, die die Methode genutzt haben: „Die alten Heideimker hatten ein ganz besonderes Gefühl für Bienen“, sagt Völker. „Da hat sich in der Geschwindigkeit etwas verändert, das geht heute so nicht mehr“.

Der Countdown für die Heide begann bei Klaus Ahrens am 5. Juli: An diesem Tag wurden die Völker abgeschleudert, und jedes erhielt ein halbes Paket Futterteig – rund ein Kilogramm, sodass die Bienen nicht hungern, die Futtergabe aber bis zum Beginn der Heidetracht auch wieder aufgebraucht haben. Erst Anfang August, zum Beginn der Heideblüte, wurden die Völker an ihren Heideständen aufgestellt. Ahrens’ Bienenvölker sitzen ohne Absperrgitter auf zwei Zargen. In der oberen Zarge hängen mittig die Rähmchen für Scheibenhonig. Geschlüpfte Zellen werden noch am selben Tag voll Heidehonig getragen, das weiß der Imker aus Erfahrung. In einer Woche, so schätzt er, wird die gesamte Wabe verdeckelt sein.

Heideimkerei Biene Nektar Foto: Suzanna Lauterbach
Nur wenn es genug geregnet hat, produzieren die Heidepflanzen Nektar. Foto: Suzanna Lauterbach

Die Heide als Tracht

Der Wettermix zur Heidezeit ist eine heikle Sache, heikler noch als bei anderen Bienentrachten. In der Nacht vor dem Besuch am Bienenstand von Völker in Oberohe hat es geregnet, nun scheint die Sonne, das ist sehr gut. Es darf nicht zu trocken sein, dann versiegt der Nektarfluss sehr schnell bei der Sandspezialistin Erika. Aber absaufen darf sie auch nicht, so wie es 2017 der Fall war, weil im Regen die Bienen nicht fliegen. Um die guten Heidejahre ranken sich Legenden. Wirklich überragende Heidejahre, so sagen es die Imker, gibt es nur alle zehn Jahre. Dann muss alles passen in den vier Wochen, in denen Calluna vulgaris ihre Blüten öffnet.

Vermarktung in den Heidebetrieben

Heidehonig ist einträglich, er zählt zu den teuersten Sorten in Deutschland. Für ein Kilogramm Wabenhonig bekommt man bis zu 50 Euro, das 500-Gramm-Glas geht zu Preisen von mehr als zehn Euro über den Ladentisch. Den schwankenden, unsicheren Ernten begegnen die Betriebe unterschiedlich. Die meisten Heideimkereien vermarkten heute ein breiteres Angebot an Honigsorten. In der Imkerei Völker verlässt ein Großteil der Ernte den Betriebssitz in Paketen. Das frisch renovierte Fachwerkhaus mit dem Balkenspruch „Willst Du Gottes Wunder sehen, musst Du zu den Bienen gehen“, steht an einer Hauptverkehrsstraße in Hermannsburg. Mitte Oktober versenden die Völkers ihren neuen Flyer, in dem das aktuelle Produktangebot steht. Wird nicht pünktlich versendet, rufen die Kunden an und fragen nach, wo der Flyer bleibt.

Heideimkerei Heidehonig Foto: Suzanna Lauterbach
Der frische Heidehonig bei Hinnerk Völker. Foto: Suzanna Lauterbach
Heideimkerei Klaus Ahrens Foto: Suzanna Lauterbach
Klaus Ahrens vor seinem Haus. Foto: Suzanna Lauterbach

Ahrens verkauft neben Heidehonig zehn weitere Sorten, die er mit seinen Völkern im Frühling und Frühsommer gewinnt. Er vermarktet sie online, ab Haustür und auf Märkten, die er teilweise schon 30 Jahre lang bedient und auf denen er sich einen treuen Kundenstamm aufgebaut hat. Bereits zweimal wurde er als „kulinarischer Botschafter Niedersachsens“ ausgezeichnet, im Jahr 2014 mit Heide- und im Jahr 2017 mit seinem bei „Tante Hanna“, einem lokalen Supermarkt, vermarkteten Rapshonig. Als weiteres Standbein arbeitet Ahrens mit der Lüneburger Heide GmbH, dem regionalen Tourismusunternehmen, zusammen. Im Sommer führt er regelmäßig Besucher durch seinen Betrieb. „Um 13 Uhr kommt eine Gruppe“, sagt er.

Ursprung der Berufsimkerei

Die Besucher lauschen interessiert, als Ahrens erzählt: von alter Imkertradition, von Zügen, die, beladen mit Bienen, in Richtung Süden fuhren, von der wochenlangen Schwarmwacht der alten Heideimker vor ihren Körben. Dann, im Ernteraum, erklärt er die moderne Technik, mit der Heidehonig heute geerntet wird, und klärt sein Publikum auch über die Probleme der Neuzeit auf. „Die Bienen sind heute, was bei den Bergleuten früher der Kanarienvogel war“, sagt Ahrens, „Wenn der von der Strange gekippt ist, sind alle raus aus der Grube.“ Heute sei den Bienen diese Rolle zugefallen: Wenn es ihnen nicht gut gehe, sei in der Landwirtschaft etwas nicht in Ordnung.

Ahrens ist nicht nur der Nachfahre von Heideimkern, er ist heute auch der stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Berufs- und Erwerbsimkerbundes. Das passt gut zusammen: Hier, in der Lüneburger Heide, soll die Berufsimkerei in Deutschland ihren Ursprung haben. 

Silke Beckedorf

Dies ist ein Auszug aus der Reportage „Imkerbetriebe mit Tradition“ in der Ausgabe 8/2020. Wenn Sie mehr erfahren möchten über die Imkermethoden der Betriebe Ahrens und Völker, sowie weitere Beiträge zur Heideimkerei in Deutschland lesen wollen, dann abonnieren Sie hier oder kaufen Sie das E-Paper der aktuellen Ausgabe.

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