Propolis: Wundermittel oder Allergieauslöser?

01. Oktober 2019

Im Rahmen ihrer Diplomarbeit hat Biologin Nadine Kunz an Propolis geforscht. Die Mitarbeiterin am Julius Kühn-Institut in Braunschweig beantwortet fünf Fragen zu dem besonderen Stoff aus dem Bienenvolk.

1. Was genau ist Propolis – aus was besteht es und wie stellen die Bienen es her?

Kunz: Propolis besteht aus Pflanzenharzen, die die Bienen sammeln, und aus Wachs, welches die Bienen selbst „produzieren“. Die Harze stammen in Deutschland von Laubbäumen. Welche genau dies sind ist noch nicht vollständig geklärt. Sichere Vertreter sind Esskastanie und Pappeln. Nadelbäume, die ja bekannt für ihre Harze sind, werden von den Bienen unseres Wissens nach nicht beflogen um Harze zu sammeln.

Tinktur gegen Erkältung und Entzündung

2. Wie erntet man Propolis und unter welchen Umständen gelingt das am besten?

Kunz: Am besten nutzt man dafür ein Plastikgitter mit dünnen Schlitzen. Man bekommt solche Gitter im Imkereifachbedarf. Sie eignen sich besser als Absperrgitter aus Metall und auch von speziellen Wachstüchern rate ich ab. Diese geben oft Fasern ab, die die Alkohollöslichkeit verschlechtern. Die Gitter legt man auf den Brutraum auf und erntet das Propolis dann, wenn die Schlitze damit verkittet sind. Dafür gebe ich es in einen Plastiksack und dieser kommt in die Tiefkühltruhe bis alles durchgekühlt ist. Dann kann man das Kittharz gut durch ein Hin- und Herknicken vom Gitter abbekommen. Propolis kann man in der ganzen Bienensaison zwischen dem Frühjahr und der Zeit der Auffütterung ernten.

3. Viele Imker verkaufen Propolis als Tinktur. Wofür wird die Tinktur eingesetzt – was kann sie?

Kunz: Propolistinktur wird gegen Erkältungskrankheiten und äußere Entzündungen eingesetzt. Auch sind Wirkungen ähnlich diverser Schmerzmittel bekannt. Das Kittharz wirkt gegen Viren, Bakterien und Pilze. Umfangreiche wissenschaftliche Studien gibt es dazu allerdings nur aus der Tiermedizin. Dennoch ist die Wirksamkeit der vielen verschiedenen Bestandteile und eine Bandbreite an Wirkungen vielfach beschrieben. Am meisten wurde und wird an südamerikanischen Propolis medizinisch geforscht, da hier weniger wechselnde Bestandteile enthalten sind. Da die Bienen an unterschiedlichen Bäumen Harz sammeln, ändern sich die Bestandteile hierzulande oft und deren Zusammensetzung. Das ist ein Grund dafür, warum Propolis in Deutschland nicht in Medikamenten verwendet wird: Die ständig wechselnde Zusammensetzung macht eine Zulassung unmöglich. Wirkstoffe müssen klar Beschrieben werden können und eindeutig identifiziert werden können – bei deutschem Propolis ist dies nicht möglich.

Propolis: „Viel hilft viel ist hier gewiss falsch“

4. Wann und wer sollte Propolis meiden? Die Substanz ist ja auch bekannt dafür, dass sie Allergien auslösen kann.

Kunz: In deutschem Propolis sind meist mehrere Stoffe enthalten, die ein Allergie-Risiko mit sich bringen. Das Bundesinstitut für Risikobewertung führt hierzu eine Liste, in der auch Propolis vertreten ist. Es lässt sich nicht pauschal beantworten wer es verträgt und wer nicht, da sowohl die Menschen, als auch einzelne Propolis-Chargen sich sehr unterscheiden können. Manche Menschen reagieren empfindlich oder auch allergisch, dies trifft auch Imker. Ich hatte zum Beispiel nie Probleme beim Arbeiten am Bienenvolk, bei meiner Forschungsarbeit an Propolis bekam ich während des Bearbeitens – des Erntens, Mahlens und beim in Tüten packen – aber ganz juckende Hände, so dass ich dann nur noch mit Laborhandschuhen arbeitete. Grundsätzlich gilt dabei auch: Viel hilft viel ist hier gewiss falsch. Außerdem sollten Imker keine Heilversprechen abgeben. Dies ist Ärzten und Apothekern vorbehalten.

5. In letzter Zeit sieht man auch immer mehr Kosmetika wie etwa Lippenpflege, die mit Propolis versetzt ist. Kann Propolis auch in dieser Form wirken oder ist das ein falsches Werbeversprechen?

Kunz: Propolis ist meist hoch wirksam, daher halte ich es für fatal ständig geringe Dosen zu sich zu nehmen. Ähnlich wie Antibiotika können Erreger resistent werden. Wenn andererseits nur Spuren an Propolis enthalten sind, wirkt es auch wohl auch kaum. In Einzelfällen mag die Behandlung eines Ausschlages an der Lippe mit Propolis genau das richtige sein, aber ich denke es sollte nicht in Lippenpflegestiften oder generell in Kosmetika verwendet werden. Propolis ist nach meinem Verständnis ein Medikament, mit dem Vorteil – oder auch Nachteil – dass es nie gleich ist und ständig in anderer Zusammensetzung vorliegt.

jtw

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