Imker-News: Demo, Protest und die Frage nach dem Insektensterben

17. Januar 2020

Während es rund um die Bienenstöcke jetzt möglichst leise ist, starten die Imker-News vom Bienen-Journal laut. Zeitgleich zum Start der Grünen Woche findet auch die wieder die Demo „Wir haben es satt“ statt und viele Imker sind am 18. Januar quer durch das Berliner Regierungsviertel mit dabei, um ihren Protest gegen die aktuelle Agrarpolitik zu zeigen. So lautet auch das Motto der Demo 2020 „Agrarwende anpacken“.

Im Vorfeld der Großveranstaltung am Samstag hat das Bienen-Journal ein Interview mit Saskia Richartz geführt, der Kampagnenleiterin „Wir haben es satt“, die die Demo organisiert.

Saskia Richartz im Interview

DBJ: Der Umbau der Landwirtschaft scheint nötiger denn je, im vergangenen Jahr haben sich die Fronten zwischen Landwirten und Umweltschützern aber scheinbar verhärtet – Stichwort grüne Kreuze. Die Landwirte befürchten erhebliche finanzielle Einbußen, wenn sie unter anderem mehr auf den Insektenschutz setzen, weniger Pestizide versprühen und mehr Blühflächen stehen lassen. Wie lassen sich diese Konflikte lösen?

Richartz: 2020 wird ein wichtiges Jahr für die Agrarwende, nicht zuletzt weil die Bundesregierung in der zweiten Jahreshälfte die EU Ratspräsidentschaft innehält und somit eine Riesen-Verantwortung bei den EU-Agrarreform-Verhandlungen und der Ratifizierung des EU-Mercosur Abkommen übernimmt. Je länger die Politik ihre Hausaufgaben auf morgen verschiebt, desto größer werden die Kosten der verheerenden Politik. Es ist also völlig nachvollziehbar, dass Bauern und Bäuerinnen befürchten auf diesen Kosten sitzen zu bleiben. Die Politik muss endlich verlässliche Perspektiven schaffen und Bauernhöfe gezielt in der Umsetzung von den notwendigen Umwelt-, Tier- und Klimaschutz unterstützen. Sie muss umschwenken auf eine nachhaltige Ernährungspolitik und sich von Massenproduktion, Exportdumping und Billigpreisproduktion verabschieden – kurz, die „Wachse oder Weiche“-Mentalität zerstört unsere Lebensgrundlagen und bäuerlichen Strukturen. Wir müssen einerseits das Höfesterben stoppen, andererseits müssen wir auch unser Wasser, unser Klima und die Artenvielfalt schützen.

„Agrarpaket ist eher ein Paketchen“

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DBJ: Der Protest der Bauern geht ja ganz klar in Richtung Bundeslandwirtschaftsministerium. Hat sich denn die offizielle Haltung Deutschlands zu einer nachhaltigeren Landwirtschaft aus Ihrer Sicht wirklich so stark verändert in jüngster Zeit?

Richartz: Wir sehen kein ernstzunehmendes Umschwenken. Das Agrarpaket ist, gemessen am notwendigen Handlungsbedarf, nur ein Paketchen. Es beinhaltet eine eher homöopathische Umschichtung von EU-Subventionen zugunsten von Umweltmaßnahmen, die überfällige Neuregelung des Düngerechts und Maßnahmen zum Insektenschutz. Es kommt zu spät und ist nicht darauf angelegt unsere Landwirtschaft ausreichend klima-, umwelt- und tiergerecht zu gestalten. Selbst die Dünge-Regeln gehen nicht an die Wurzel des Problems: wir halten viel zu viele Tiere auf zu wenig Raum. Dabei produzieren, konsumieren und exportieren wir viel zu viel Fleisch und Milchprodukte. Weniger Fleischkonsum und -export ist besser fürs Klima und die Gesundheit.

DBJ: Das Insektensterben wird derzeit gerne als Stichwort genutzt, um auf den maroden Zustand unserer Umwelt hinzuweisen. Wie lässt sich der Trend umkehren und wieder eine verträgliche Form der Landwirtschaft aufbauen, von der die Bauern auch leben können? Wie wichtig sind dabei die Agrarsubventionen?

Richartz: Da Jahr 2020 steht auch im Zeichen Artensterbens. Im Oktober treffen sich die Vertragspartner des UN Artenschutzabkommens um angesichts des alarmierenden Tempos des Artensterbens weitere Maßnahmen für den Schutz der Biodiversität zu beschließen. Für die Landwirtschaft gilt, was ich bereits gesagt habe. Wir brauchen einen grundsätzlich anderen Ansatz, weniger Chemie, weniger Düngung, mehr Vielfalt, mehr kleinteilige Feldstrukturen, mehr Qualität statt Masse. In Europa werden jährlich rund 60 Milliarden Euro an Agrarsubventionen verteilt. Diese könnten zu Fördergeldern der Agrarwende werden. In kaum einem anderen Sektor gibt es ähnlich hohe öffentliche Investitionen. Diese Gelder sollten jetzt für die Transformation zu einer insektenfreundlichen und klimagerechten bäuerlichen Landwirtschaft genutzt werden.

Demonstration in Berlin: „Wir haben es satt“

Infos zur Demo „Wir haben es satt“ gibt es hier.>>>

Der Deutsche Berufs- und Erwerbsimkerbund ruft ebenfalls zur Demo auf und speziell dazu, um 11.30 Uhr am 18. Januar 2020 gemeinsam am Brandenburger Tor die Smoker anzuzünden und damit einen starken Imkerprotest zu zeigen. Infos hier.>>>

Schon im Vorfeld der Demo fand am Mittwoch eine Imker-Protestaktion vor dem Bundeslandwirtschaftsministerium statt. Imker Sebastian Seusing aus Brandenburg brachte vier Tonnen Honig zu Ministerin Klöckner. Honig, den er nicht mehr verkaufen kann, weil er zu stark mit Glyphosat belastet ist. Das Unkrautvernichtungsmittel hatten Landwirte auf den Flächen mit Löwenszahnblüten nahe der Bienenstöcke von Bio-Imker Seusing versprüht. Ihm ist ein Schaden von 60.000 Euro entstanden. Mit der Aktion wollte er auf den viel zu starken Einsatz von Pflanzenschutzmitteln auf deutschen Äckern hinweisen. Der Berliner Radiosender Radio Eins hat mit Sebastian Seusing gesprochen. Hier gibt es das Interview zu den Hintergründen der Protestaktion und des mit Glyphosat verseuchten Honigs.>>>

Auch das Bienen-Journal hat bereits über die Aktion berichtet.>>>

Imkerjahr 2020 startet auch mit Gegenbewegung „Wir machen euch satt“

Doch mit dem starken Protest im Rahmen der „Wir haben es satt“-Events sind nicht alle so einverstanden. So gibt es auch eine klare Gegenbewegung von Seiten der Landwirte unter dem Motto „Wir machen Euch satt“ und dem Ansatz „Dialog statt Protest“ und bewusst ohne eigene Gegendemo. Die Landwirte-Initiative sieht sich im Gespräch mit allen interessierten Menschen besser auf der Grünen Woche vertreten und möchte hier eine moderne Landwirtschaft präsentieren. Unter „dialogstattprotest.de“ gibt es Infos zur Kampagne „Wir machen Euch satt“.>>>

Nicht zufällig finden diese Veranstaltungen dann statt, wenn im Rahmen der Agrarmesse „Grüne Woche“ zahlreiche Landwirtschaftsminister und Bauern in der Hauptstadt sind. Die Grüne Woche startet am 17.01.2020 und bietet wieder ein buntes Programm zu den Themen Landwirtschaft, Ernährung und Gartenbau. Was genau die Messebesucher erwartet, gibt es hier nachzulesen.>>>

Weitere Meldungen: Online-Petition, Insektensterben, Imker-Führerschein & mit der Imkerei in die Selbstständigkeit

Zum Start vom Imkerjahr 2020 gibt es aber auch noch eigene weitere Themen, die die Imkerszene derzeit beschäftigen. So hat der Imker Marco Warstat aus der Nordheide eine neue Online-Petition gestartet. Er verfolgt das Ziel, die Honigbiene unter Naturschutz zu stellen. Ganz konkret geht es ihm dabei aber nicht um die als domestiziert geltende Honigbiene des Großteils aller Imker in Deutschland, sondern um die Dunkle Biene, die seiner Meinung nach noch ein Wildtier ist. Auf der Internetseite der Petition erläutert er seinen Ansatz und warum er dazu aufruft, dass die heimische dunkle Honigbienen unter den besonderen Schutz des Bundesnaturschutzgesetzes und der Bundesartenschutzverordnung gestellt werden sollte. Hier gelangt man zur Online-Petition mit dem Namen „Die heimische Honigbiene unter Naturschutz stellen!“.>>>

Aber wie ist es denn um die Situation der Honigbienen und vor allem ihrer ganzen wilden Verwandten derzeit bestellt. Wie stark ist das Insektensterben wirklich und welche Art ist geschützt oder müsste mehr geschützt werden? Passend zu diesen Fragen hat der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) zusammen mit der Heinrich-Böll-Stiftung zum Jahresbeginn 2020 den neuen Insektenatlas herausgebracht. Er kann hier heruntergeladen werden.>>>

Zur Frage des richtigen Umgangs mit der Honigbiene und warum die stark ansteigende Zahl der Neuimker der vergangenen Jahre nicht immer nur positiv zu sehen ist, wird schon seit einiger Zeit immer wieder auch die Frage nach einem Imker-Führerschein diskutiert. Für das Deutsche Bienen-Journal hat Pia Aumeier sich der Diskussion nun angenommen und startet nun eine neue Videoreihe. Hier gibt es das erste Video zum Imker-Führerschein.>>>

Und noch ein bisschen mehr Youtube haben wir zum Start des Imkerjahrs 2020 für Sie. Denn auch wenn die Zahl der Hobbyimker in Deutschland ganz klar überwiegt, gibt es sie doch: Diejenigen, die aus der Imkerei einen Beruf machen und mit den Bienen in die Selbstständigkeit starten. Einer von diesen Imkern ist Sebastian Faiß. Seinen Weg zum Erwerbsimker und den Aufbau seiner Imkerei begleitet er filmisch auf seinem Youtube-Kanal. Das Bienen-Journal hat ihn getroffen und mit ihm über seine berufliche Entscheidung gesprochen. Hier gibt es den Online-Beitrag zum Nachlesen.>>>

Das Bienen-Journal ist gespannt mit welchen Themen und Ereignissen das Imkerjahr 2020 weitergeht. Jeden zweiten Freitag gibt es hier nun eine Zusammenfassung des Imkergeschehens der Online- und Offline-Welt.

jtw



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