Naturnah imkern in der Stadt? – Interview mit Stadtbienen-Gründer Johannes Weber

30. November 2020

Der Verein Stadtbienen fördert eine ökologische Bienenhaltung im städtischen Raum. Mit Imkerkursen, Schulprojekten oder der Betreuung von Bienenvölkern bei Unternehmen wollen sie Menschen für einen achtsamen Umgang mit Bienen und der Natur begeistern. Wir sprachen mit dem Gründer Johannes Weber über die naturnahe Bienenhaltung und imkern in der Stadt.

Herr Weber, Ihr Verein hat sich auf die Stadtimkerei spezialisiert und fördert die „ökologische Bienenhaltung“. Können Sie erklären, was mit dem Begriff genau gemeint ist?

Johannes Weber: Als wir den Verein 2014 gegründet haben, hatten wir für unser Konzept zur Bienenhaltung ganz genaue Vorstellungen. Die Richtlinien der Demeterimkerei empfanden wir als richtigen Weg für die Erzeugung eines Nahrungsmittels. Im Freizeitbereich gingen uns diese Richtlinien jedoch nicht weit genug. Wir wollten uns bei unserer Praxis voll und ganz an den Bienenvölkern orientieren und uns nicht auf das beschränken, was für den Lebensmittelverkauf gerade so funktioniert. Nicht der Honig sollte bei uns im Mittelpunkt stehen, sondern die Bedürfnisse der Bienen.

Für das Wort „ökologisch“ haben wir uns entschieden, weil die Leute relativ schnell begreifen, worum es geht. Der Begriff bezieht sich bei uns aber rein auf die Art der Bienenhaltung, wie wir sie in unseren Kursen vermitteln, und nicht auf den Honig als Nahrungsmittel.

Was zeichnet Ihre Art der Bienenhaltung aus?

Die ökologische Bienenhaltung nach Stadtbienen bedeutet für uns zum einen, dass die Völker möglichst auf eigenem Honig überwintern. Ein weiterer wichtiger Punkt ist das Arbeiten mit dem Schwarmtrieb. Wenn die Möglichkeit besteht, lassen wir die Völker schwärmen und fangen die Bienen anschließend wieder ein. Da dies im städtischen Raum oft nicht möglich ist, setzen wir hier auf Maßnahmen wie die Schwarmvorwegnahme. Dafür muss der Imker sehr aufmerksam sein.

Viele befürchten jedoch, dass Leute, die ihre Bienen nicht zur Honigproduktion halten, ihnen einfach nur beim Sammeln zusehen wollen oder überhaupt nur selten an die Völker gehen, um die Tiere nicht zu stressen. Da haben wir eher gegenteilige Erfahrungen gemacht. Die Leute, die bei uns mit der Imkerei anfangen, identifizieren sich so sehr mit den Tieren, dass man anfangs aufpassen muss, dass sie die Völker nicht „tot-schauen“. Ein Großteil unserer Teilnehmerinnen und Teilnehmer hat zudem weniger als vier Völker. Die meisten haben eine hohe individuelle Beziehung zu ihren Bienen und widmen ihnen viel Zeit und Aufmerksamkeit.

Die Stadt gilt für die Imkerei generell als guter Standort wegen der großen Vielfalt an Pflanzen auf Friedhöfen oder in Kleingärten. Aber kann man hier auch naturnah imkern?

Stadtbienen naturnah imkern in der Stadt - Gründer Johannes Weber, Foto: freundevonfreunden/stadtbienen.org
Stadtbienen-Gründer Johannes Weber. Für die Bienenbox sind Rähmchen im Kuntzsch-Hoch-Maß und Naturwabenbau vorgesehen. Foto: freundevonfreunden/stadtbienen.org

Ich würde sagen: Ja, das kann man. Die Stadt ist ein Hotspot für Diversität und weist eine hohe Artenvielfalt auf. Das bestätigt sich, wenn man zum Beispiel aus der Stadt herausfährt. Außer Randstreifen oder Trachtbäumen bleibt nicht mehr viel in der Landschaft übrig, das man als „artenreich“ bezeichnen könnte. Erst wenn man wieder in die Nähe von Siedlungen oder Städten kommt, nimmt die Diversität in der Natur zu.

Imkern in der Stadt: Bessere Bedingungen als auf dem Land

Das heißt aber nicht, dass die Stadt besonders naturnah ist, sondern dass die Natur außerhalb der Stadt nicht mehr dem entspricht, was Bienen vorfinden möchten. Dort zu imkern ist nur die nächstmögliche Lösung. Das Ziel sollte sein, dass auch die ländliche Umgebung wieder mehr Artenreichtum aufweist. Deshalb geht es in unseren Kursen auch darum, ein Bewusstsein für die ökologischen Zusammenhänge zu schaffen und die Rolle, die jeder darin wahrnehmen kann. Zum Beispiel durch ein nachhaltiges Konsumverhalten oder das Anlegen von bienenfreundlichen Flächen.

Viele Stadtimker haben ihre Völker auf Dächern stehen. Da es sich dort vor allem im Sommer sehr aufheizen kann, gilt dieser Standort als nicht bienengerecht.

Ehrlich gesagt habe ich viel schlechtere Erfahrungen mit Völkern gemacht, die in dunklen, feuchten Innenhöfen stehen als auf sonnenverwöhnten Dächern. Wichtig ist es natürlich den Platz der Beuten so zu wählen, dass die Möglichkeiten für Schatten beziehungsweise Windschatten optimal genutzt werden. Die Bienenbox ist genau für solche Einsatzorte konstruiert und optimiert worden. Sie hat zum Beispiel einen speziellen Isolierdeckel, der die Behausung durch eine komplette Hinterlüftung verschattet.

Naturnah imkern in der Stadt – hohe Bienendichte kann zur Gefahr werden

Worauf sollte man beim naturnahen Imkern in der Stadt noch achten? Gibt es besondere Schwierigkeiten oder auch Vorteile?

Gesünder in der Stadt?

  • Seit geraumer Zeit steigt die Zahl von Honigbienen vor allem in Städten an.
  • Starker Verkehr, dichte Bebauung, Abgase und Lärm – auf den ersten Blick kein geeigneter Ort für Bienen oder andere Insekten.
  • Tatsächlich kann das Leben für Bienen in der Stadt aber gesünder sein als auf dem Land.
  • Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung zweier Bienenwissenschaftler im Auftrag der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen von 2017.
  • Danach herrscht im Gegensatz zum Land in der Stadt eine große Blütenvielfalt.
  • In den vielen Gärten, Parks und Friedhöfen blüht immer irgendetwas. Dazu kommen große Trachten durch Stadtbäume wie Robinie oder Linde.
  • Dies, so die Forscher, führe zu einer kontinuierliche Nahrungsversorgung, was sich auch darin äußere, dass Honigerträge in urbanen Gebieten bis zu doppelt so hoch seien wie in landwirtschaftlichen Gebieten.
  • Ein schlechtes Zeugnis stellen die Autoren der Studie hingegen ländlichen Gebieten mit einem hohen Anteil an landwirtschaftlich genutzten Flächen aus: Hier führe die zunehmende Nutzungsintensität zu einem Rückgang der bienenfreundlichen Vegetation – mit Mängeln in der Nahrungsversorgung der Bienen als Folge.
  • Zusätzlich erschwere der Kontakt mit Pflanzenschutzmitteln das Überleben der Tiere, dies erkläre unter anderem, warum Bienen in urbanen Räumen gesünder leben.
  • Ihr Zwischenfazit: Zumindest für Honigbienen stellen vegetationsreiche Städte im Vergleich zu intensiv landwirtschaftlich genutzten Gebieten geeignetere Standorte dar.
  • Die Studie zeigt aber auch die Nachteile auf, die die Stadt für Honigbienen haben kann: Weil immer mehr Menschen mit der Imkerei beginnen, steige hier nicht nur die Bienendichte, sondern auch die Unerfahrenheit der Bienenhalter.
  • Dadurch könnten in urbanen Gebieten Krankheiten zunehmen, wodurch das Gesundheitsrisiko für Honigbienen ansteige.

sas

Eine große Herausforderung, die ich für Stadtimker sehe, ist die hohe Bienendichte. Nicht weil nicht genug Tracht da wäre, sondern wegen der Ausbreitung von Seuchen und Krankheiten. Hierfür muss meiner Ansicht nach das Bewusstsein bei den Imkern steigen.

Bei der ökologischen Bienenhaltung bilden wir daher ungerne Ableger und versuchen generell, kein Wabenwerk von einem Volk über Kilometer hinweg zu verbringen. Ein Vorteil der Stadt ist der unkomplizierte und konstruktive Austausch in den Vereinen oder anderen Gruppierungen von Imkern. Die meisten gehen sehr undogmatisch an verschiedene Themen heran und sind interessiert, was andere Imker tun. Da gibt es nicht den einen Weg. Das liegt wahrscheinlich auch daran, dass in der Stadt verschiedene Leute mit unterschiedlichen Kulturen und Hintergründen zusammenkommen.

Interessieren sich vor allem jüngere Leute, die mit dem Trend gehen wollen, für diese Art der Bienenhaltung?

Eher weniger. Nach unserer Erfahrung sind es Menschen, die ihren Platz im Leben gefunden, einen festen Wohnsitz und Familie haben. Der Altersdurchschnitt in unseren Kursen liegt geschätzt bei etwa 45 Jahren. Viele haben sich bereits im Vorfeld über die Imkerei und unterschiedliche Herangehensweisen an das Thema informiert. Für die meisten ist der Schritt in die ökologische Bienenhaltung eine ganz bewusste Entscheidung.

Vielen Dank für das Gespräch.
Die Fragen stellte Saskia Schneider.

Das Interview stammt aus dem neuen dbj-Sonderheft „Naturnah imkern“ – hier gehen wir u.a. Fragen nach wie: Was verändert sich am Imkern, wenn der Honigertrag nicht mehr an erster Stelle steht? Was heißt es, wenn Bienen ihre Waben frei bauen, schwärmen dürfen und auf ihrem eigenen Honig überwintern?

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