Flügel stutzen bei der Bienenkönigin – kontrovers diskutiert

30. März 2022

Flügel stutzen oder nicht? Der Bienenkönigin einen Flügel um ein Drittel zu kürzen, klingt brutal und unnatürlich. Die EU-Ökoverordnung verbietet es. Es soll aber verhindern können, dass Vorschwärme weit fliegen und so ganze Bienenvölker retten. Was steckt dahinter?

Ob man der Bienenkönigin einen Flügel stutzen sollte, ist ein immer wieder diskutiertes Thema. Auch heute noch ist es eine angewendete Methode in konventionellen Imkereien. Für Bio-Imkereien greift dagegen ein Verbot. Doch wie sieht es in der Praxis aus? Welche Vorteile haben Imker und die Bienen selbst davon?

Warum stutzen Imker der Bienenkönigin einen Flügel?

Spricht man vom Flügel stutzen bei Bienenköniginnen, geht es darum, einen Vorderflügel um ein Drittel zu kupieren. Imker, die diese Methode nutzen, verwenden dafür meist eine Nagelschere. Da die Flügel weder Nervenzellen noch funktionsfähige Blutgefäße besitzen, sei das Stutzen mit dem Schneiden der Haare, Finger- und Zehennägel beim Menschen zu vergleichen – so die Theorie. Es gibt allerdings einen Unterschied: Der Flügel wächst nicht nach. So stutzen Imker den Flügel der Königin auch erst dann, wenn diese einen erfolgreichen Begattungsflug hinter sich hat. Hört man sich online und offline in der Imkerszene um, so ist das Stutzen des Flügels der Bienenkönigin eine durchaus noch angewendete Methode. Doch auch die Kritiker sind zahlreich.

Die Methode des Flügelstutzens ist für die Befürworter vor allem ein Weg, den Verlust eines eventuell abgehenden Vorschwarmes zu verhindern. Dieser erste Bienenschwarm entkommt allerdings nicht weit, wenn die Königin nicht weit fliegen kann.

Was spricht gegen das Stutzen?

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Diese Vorteile möchte Albrecht Pausch von Bioland allerdings so keineswegs sehen. Er wertet die Methode ganz klar als „nicht gerechtfertigt, weil das Flügelschneiden eine Verstümmelung der Königin ist und ein Eingriff in ihren Lebensplan und ihre Unversehrtheit darstellt.“ Da es Alternativen zu dieser Methode gebe, sei sie keineswegs gerechtfertigt. Pausch ist Berufsimker und Sprecher des Bundesfachausschusses Imker bei Bioland. Der Verband gibt seinen Mitgliedern strengere Vorgaben an die Hand, was das Tierwohl betrifft und hat dafür auch seit dem vergangenen Jahr weitgehende Kontrollen eingeführt.

Der Imker weist auf die Bioland-Richtlinien hin, die das Flügel stutzen seit ihren Bestehen ausschließen. Ebenso weist er auf die gesetzlichen Vorgaben der EU-Ökoverordnung hin, die die Methode für Bio-Imkereien ausschließt. So heißt es in der EU-Verordnung 2018/848 (1.9.6.4. Tierschutz), dass für die Bienenhaltung folgende zusätzliche allgemeine Vorschriften gelten: „Verstümmelungen wie das Beschneiden der Flügel von Weiseln sind verboten.“ Deshalb musste das Flügelschneiden auch nicht extra in die Tierwohlkriterien bei Bioland aufgenommen werden.

Konkret bedeutet das: Das Stutzen eines Flügels bei Bienenköniginnen ist für Bio-Imkereien verboten, für konventionelle Imkereien dagegen nicht.

Flügel stutzen und Vorschwärme verhindern: Gelingt das überhaupt?

Schwärme fliegen häufig in den Tod. Denn oft finden sie keine geeignete Behausung und/oder nicht genügend Vorrat für den Winter. Für Imker stellt der abgehende Schwarm zudem einen Verlust dar. Auch kann es höchst gefährlich sein, einem Schwarm hinterherzuklettern. So ist die Schwarmverhinderung für die meisten Imker heute ein weichtiger Teil der Betriebsweise. Die heute eingesetzten Beuten der Magazinimkerei ermöglichen es, dass man die Bienenmasse auf den beweglichen Waben mit ein paar Handgriffen kontrollieren kann – und so auch erkennt, wann eine Schwarmstimmung aufkommt.

Dennoch gelingt es nicht jedem Imker, Schwärme sicher zu vermeiden – weder zu verhindern, dass eine Schwarmstimmung aufkommt, noch Schwärme einzufangen, wenn sie weit oben in Bäumen hängen oder sich später als Hauptschwarm weit entfernt niedergelassen haben. So ist es in der Tat so, dass ein Vorschwarm mit kupierter Königin nicht weit kommt, da die Königin am Boden oder bodennah vor dem Bienenstand landet. Dort kann sie bei der Standkontrolle samt der sie begleitenden Arbeiterinnen meist gut bemerkt werden. Wenn der meist kleinere Vorschwarm eingefangen wird, kann man außerdem verhindern, dass sich weitere Schwärme auf den Weg machen. Aber rechtfertigt dies, dass man zu derartigen Maßnahmen greift wie dem Beschneiden eines Flügels?

Flügel stutzen und Zeit sparen: Denkfehler zu Lasten der Tiere

Albrecht Pausch erklärt den Denkfehler hierbei. Er sagt, dass das Flügel stutzen der Absicht entspringe, Zeit zu sparen und keine vollumfängliche Schwarmverhinderungsmethode sei. Andere Schwarmverhinderungsmethoden mit denen das Problem verlorener Schwärme vermieden werden kann, sind aber zeitaufwändig und schränken damit die Zahl der Bienenvölker ein, die man halten kann. Flügelschneiden sei der Versuch das Tier dem Menschen passend zurecht zu schneidern. „Man gewinnt im besten Fall ein paar Tage und bei mehreren Schwarmzellen kann trotzdem ein Schwarm mit einer unbegatteten Königin fallen“, sagt er.

Und weiter: „Das Flügelschneiden in eine Tierwohlmaßnahme umzudeuten wäre so, als wenn man das Abschneiden der Schwänze bei Schweinen, oder das Abzwicken der Schnäbel bei Hühnern als Tierwohlmaßnahme bezeichnen würde, weil damit das Abbeißen und Federpicken verhindert würde.“ Das Problem beginnt nach Meinung von Albrecht Pausch aber immer in einer betriebswirtschaftlich angestrebten Optimierung zu Lasten des Tieres. So sind bei den Schweinen und Hühnern weniger Tiere auf mehr Raum mit Stroh und Beschäftigung die Lösung. „Im Fall der Bienen heißt das, wenn man wenig Zeit hat sich ausreichend um Bienen zu kümmern, sollte man eben nur eine passende Anzahl halten“, sagt der Bioland-Imker.

Kann man das Stutzen in die Tierwohl-Debatte einordnen?

Bienenschwärme, die sich von ihrem eigenen Bienenstock entfernen, bleiben meist unentdeckt. In unserer aus- und aufgeräumten Landschaft finden sie kaum geeignete Nistmöglichkeiten und sie können nur schwer ausreichend Wintervorräte anlegen. Zum Problem für die wilden Bienenschwärme können außerdem Bienenkrankheiten und Parasiten werden. Kranke Völker mit vielen Varroamilben werden wiederum für andere zum Infektionsherd.

Diese Argumente zum Verhindern von Bienenschwärmen sind es auch, die einige Imker daran festhalten lassen, der Bienenkönigin einen Flügel zu stutzen. Im Zusammenhang mit dem Argument des „Tierwohls“ weisen sie darauf hin, dass dabei der Fokus des Menschen zu sehr auf die Königin gerichtet werde – weniger auf das Wohl des Bienenvolkes und das der anderen Völker in der Umgebung.

Für Albrecht Pausch gilt die Grundanschauung bei Bioland: „Tiere sind keine Maschinen und auch keine leblosen Rohstofflieferanten. Bienen haben wie andere Tiere auch, Anspruch auf eine gesunde Haltung, die Rücksicht auf ihre Unversehrtheit und ihr Wohlergehen nimmt.“

jtw

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