Alarm, Alarm ein Schwarm

12. Juni 2019

Kurz vor Ende eines arbeitsreichen und furchtbar warmen Montages – der 3. Juni 2019 – erreichte uns wieder die Nachricht: „Es scheint, eure Bienen schwärmen.“ „Ja klar“, dachten wir uns.

„Schon wieder ein Fehlalarm.“ Dennoch schmissen wir uns in unsere Imkertracht und machten uns auf zu unseren Völkern aufs Dach. Unsere Überraschung war groß, als wir feststellten, dass tatsächlich ein Schwarm dabei war sich zu formen und noch größer war unser Erstaunen, als wir feststellten, dass die Bienen aus unserem Ableger von letzter Woche kamen. War der Ableger so schnell so stark gewachsen? Hatten wir ausversehen doch die alte Königin aus dem umweiselnden Volk entnommen? Aber alle Spekulationen hin oder her, nun war das Volk am Schwärmen und wir mussten schauen, wo es sich niederlassen wollte.

Zunächst sah es so aus, als ob der Schwarm sich über das Dach des Verlages davonmacht und wir ihn nicht mehr erreichen könnten. Doch dann sammelte er sich glücklicherweise auf einem begrünten Sims im Hinterhof vor dem Erdgeschoss des Verlagsgebäudes. Aber wie dorthin gelangen?

Versuch 1 beim Schwarmfang: Durch das Treppenhaus

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Die Werkzeuge für den Schwarmfang.

Wir stiefelten schwer bepackt vom vierten Stock durch das Nottreppenhaus nach unten, in der Hoffnung von dort Zugang zum Hof zu erlangen. Tatsächlich sah es so aus, als ob wir durch eine Glastür im Erdgeschoss auf den Sims gelangen könnten. Wir öffneten die Tür und … Alarm! Wir waren direkt in die Bewegungsmelder des Überwachungssystems getappt.

Unter dem ständigen Geheule der Alarmanlage eilten wir nun so schnell es Tagestemperatur und Ausrüstung erlaubten wieder zurück in den vierten Stock zu unseren Büros. Dort angekommen mussten wir erst einmal den Sicherheitsdienst informieren, dass es sich bei den vermummten Gestalten, die um den Verlag schlichen um uns handelte und, dass wir es waren, die die Alarmanlage ausgelöst hatten. Jetzt lagen unsere Nerven schon ein wenig blank, dennoch wagten wir noch einen Anlauf.

Versuch 2: Über den Hof den Schwarm fangen

Wir bekamen von der Garten-Redaktion eine Leiter gestellt, um den Sims zu erklimmen und versuchten unser Glück über die Einfahrt zum Hof. Zum Sims kamen wir auf diesen Weg, allerdings nicht hinauf. Trotz der Leiter wäre das erklettern des Simses eine ziemlich akrobatische Leistung gewesen.

Leider waren zu dieser Zeit die Büros im Erdgeschoss auch schon verlassen. Also konnten wir auch nicht mehr durch die Bürofenster auf den Sims gelangen. So blieb uns nichts Anderes übrig, als bis zum nächsten Morgen zu warten und zu hoffen, dass der Schwarm in dem Strauch auf dem Sims sitzen bleibt.

Ein Wunder: Schwarm findet kostenlosen Wohnraum in Berlin

Ein neuer Tag ein neuer Fangversuch. Am Morgen um 8 Uhr wurden wir von der Firma im Erdgeschoss schon aufgeregt in Empfang genommen. „Da ist ein Bienennest vor unserem Fenster, könnt ihr das bitte wegmachen?“ Natürlich, beruhigten wir die Kollegen. Im Eiltempo zogen wir uns wieder um, sammelten Besen, Eimer, Astschere und eine kleine leere Beute zusammen und stiegen unter Aufsicht der gesamten Bürobelegschaft durch das Fenster auf den zuvor unerreichbaren Sims. Wir fanden dort eine wunderschöne, dichte Schwarmtraube in einer Mahonie.

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Ein Großteil der Schwarmtraube in der Mahonie ließ sich direkt in die Beute schütteln.

Kaum hatten wir unsere Beute aufgestellt, in die wir die Bienen eigentlich umschütten wollten, da krochen die ersten neugierigen Immen auch schon über die Rähmchen. Also beschlossen wir die Bienen gleich in die Beute zu klopfen und ließen den Eimer stehen. Einen Großteil der Schwarmtraube konnten wir mit gezieltem Schütteln der Zweige in die Beute bringen. Nur ein Ast der Mahonie musste dran glauben, um eine kleinere Nebentraube zu sichern. Der Busch ist aber weiterhin wohl auf. Wir hofften mit dem Großteil der Bienen auch schon die Königin eingefangen zu haben und verschlossen die Beute zunächst mit einem Absperrgitter und dann mit einem Deckel. Das Flugloch ließen wir offen, damit die restlichen auffliegenden Bienen einen Weg zu ihrem Schwarm finden konnten.

Plötzlich rief Saskia aus: Schnell, mach den Deckel auf. Ich Hab die Königin, schnell!“. Mit geschultem Blick hatte sie im Gewusel der restlichen fliegenden Bienen die Königin erkannt und diese – wie Meister Miyagi im Film Karate Kid eine Fliege – blitzschnell aus der Luft gefangen. Jetzt konnten wir uns sicher sein, dass der Schwarm in unserer Beute bleiben würde. Wir beschlossen die Beute nun zwei bis drei Stunden neben der Mahonie stehen zu lassen, damit sich auch die restlichen Bienen dort zusammenfinden könnten. Ohne Beute kehrten wir also in die Redaktionsräume zurück und widmeten uns unserer Arbeit.

Ein Schwarm kommt selten allein

Nach etwa einer Stunde gab es erneut Aufregung vor dem Fenster. Da waren ja schon wieder so viele Bienen. War der Schwarm etwa doch wieder aus der Beute ausgezogen? Nein, die Bienen kamen wieder vom Dach des Gebäudes. Ein neuer Schwarm! Also wieder rein in die Imkermontur und bei gefühlten 50 °C rauf aufs Dach. Tatsächlich hatte sich dort ein neuer Schwarm gebildet. Diesmal konnten wir allerdings nicht gleich ausmachen, um welches Volk es sich dabei handelte. Gnädigerweise ließ sich dieser Schwarm aber in einer Kiefer auf dem Dach hinter den Völkern nieder und ersparte uns eine weitere Schwarmfang-Odyssee. Wir ließen die Bienen sich erst einmal sammeln und mussten überlegen, wie und wo wir diesen Nachzügler nun unterbringen wollten.

Nachdem wir uns wieder aus unseren Anzügen gepellt hatten, beschlossen wir, unsere Dadant-Beute, die schon seit einem Jahr unbenutzt im Lager stand, zu säubern und Mittelwände einzulöten, um auch diesem Schwarm ein Zuhause zu geben. Kaum waren wir damit fertig geworden, war es auch schon Zeit nach unserem Mahonien-Schwarm zu schauen. Wieder quälten wir uns in die Anzüge und machten uns auf ins Erdgeschoss zu unserem Schwarm Nummer eins. Die Bienen dort begannen schon sich einzufliegen, also war es höchste Zeit sie aufs Dach zu bringen.

Wir verstopften das Flugloch und sicherten die Beute – aus Ermangelung an Spanngurten – mit mehreren Umwicklungen Klebeband. Dann schoben wir den friedlich in der Beute summenden Zwergstaat auf einem Transportwägelchen in den Fahrstuhl und aufs Dach. Dort bekam unser neues Volk einen Platz neben dem Waagstock-Volk zugewiesen. Wir entfernten das Klebeband und ließen das Flugloch eingeengt.

Dieses war der erste Bienenschwarm und der zweite folgt so gleich

Da der zweite Schwarm schon eine Traube in der Kiefer bildete, aber immer noch etliche Bienen um den Baum kreisten, beschlossen wir, ihnen noch etwas Zeit zu geben und uns zunächst wieder auf normale Körpertemperatur herunter zu kühlen. Nachdem wir erneut aus unseren Klamotten herausgeflossen waren, war etwas Zeit, um eine Kleinigkeit zu essen und ein paar redaktionelle Aufgaben zu erledigen.

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Schwarm Nummer zwei bekam unsere einzige Dadant-Beute als neues Zuhause.

Um 14 Uhr zogen wir dann zum vierten Mal an diesem Tag in voller Montur zu den Bienen. Die vorbereitete Dadant-Beute platzierten wir neben unserem Ableger von letzter Woche. Die Schwarmtraube aus der Kiefer zu bekommen, erwies sich als schwieriger als gedacht. Wir wollten ja nicht die ganze kleine Kiefer zurückschneiden um an die Traube zu gelangen.

Also bogen wir die Zweige soweit wie möglich auseinander, besprühten die Bienen mit Wasser, hielten den Eimer so gut es ging unter die Traube und mit ein, zwei kräftigen Schüttlern waren etliche Bienen im Eimer. Vom da ging es dann weiter in die Beute. Dieses Spiel wiederholten wir noch einige Male. Die restlichen Bienen turnten so geschickt durch die Kiefernnadeln, dass wir sie weder mit Schütteln noch mit dem Feger in unseren Eimer bekamen. Daher beschlossen wir, die letzten, versprengten Schwarmbienen von ihren Schwestern zum Stock rufen zu lassen. Die Königin – da waren wir uns sicher – hatten wir in der Beute, denn die Bienen begannen schon sterzelnd ihre Kolleginnen zu rufen. Wir ließen das Volk also für den Rest des Tages in Ruhe und entledigten uns das letzte Mal unserer schweißnassen Imkertracht.

Arbeit, Zauber und Bienenstaat

Da sich unserer Verlagsbienenvölker in den letzten zwei Tagen wie durch Zauberhand von zwei auf fünf vermehrt hatten, und uns die Beuten ausgegangen sind, hofften wir an diesem Morgen nicht noch einen weiteren Schwarm auf dem Dach zu finden.Wir beschlossen so früh wie möglich mit den Nacharbeiten an den Völkern zu beginnen um die Mittagshitze zu vermeiden. Die Bienen aus dem Kiefernschwarm hatten sich seit dem Vortag jetzt alle in der Dadant-Beute eingefunden. Wir hatten also die Königin gestern schon erwischt. Das Dadant-Volk erhielt an diesem Morgen – ebenso wie das Volk in unserer letzten Deutsch-Normal-Beute – ein paar zusätzliche Rähmchen mit frisch eingelöteten Mittelwänden. Damit schlossen wir die Lücken in der Beute, die wir zum einschütten der Bienen hatten schaffen müssen.

Unser Ableger aus der letzten Woche erhielt jetzt einen Honigraum. Er hatte uns ja mit seiner Schwärmerei am Montag gezeigt, dass er stark genug ist nun auch zwei Zargen zu bevölkern. Da wir schon einmal oben auf dem Dach in unser Imkeruniform schwitzten, nutzten wir die Gelegenheit auch unsere beiden Altvölker zu kontrollieren. Volk C hatte seinen Honigraum schon so gut gefüllt, dass wir zu zweit die Zarge abheben mussten – na dann kann ja bald geschleudert werden.

Auch das Brutnest sah bei unseren Strebern wieder vorbildlich aus. Hier war nichts zu bemängeln: 1 plus mit Sternchen. Volk A gab wieder den Klassenclown. Der Honigraum war zwar auch hier gut gefüllt, allerdings wimmelt es in dem Brutnest nur so von Weiselzellen. Eine aufgebissen, einige verdeckelt, einige kurz vor dem Verdeckeln und dennoch mussten wir noch drei oder vier neue Spielnäpfchen entfernen. Was tun die nur? Züchten die sich einen ganzen Adelsstand in ihrem Staat? Vielleicht sollten wir bei dieser Schwarmzellbauwut zusätzliche Geschütze zur Schwarmvorbeugung auffahren?

Vielleicht hilft ein wenig Magie aus alter Zeit? Der Lorscher Bienensegen, am besten mit viel Pathos vor den Völkern aufsagen: 

Kirst, imbi ist hûcze
Nû fliuc dû, vihu mînaz, hera
Fridu frôno in munt godes
gisunt heim zi comonne
Sizi, sizi, bîna
Inbôt dir sancte Maria
Hurolob ni habe dû
Zi holce ni flûc dû
Noh dû mir nindrinnês
Noh dû mir nintuuinnêst
Sizi vilu stillo
Uuirki godes uuillon

Oder für alle, die kein althochdeutsch lesen können:

Christ, der Bienenschwarm ist hier draußen!
Nun fliegt, ihr meine Bienen, kommt.
Im Frieden des Herren, unter dem Schutz Gottes
kommt gesund zurück.
Sitzt, sitzt, Bienen.
Der Befehl kommt von der Jungfrau Maria.
Ihr habt keinen Urlaub.
Fliegt nicht in den Wald.
Weder sollt ihr von mir entgleiten.
Oder vor mir flüchten.
Sitzt im absolut Stillen
und erfüllt Gottes Willen.

Vielleicht hilf es ja.

Bzzz zum nächsten Mal.

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