Imkerei auf Kreta: Bienenhaltung auf der Insel

08. Januar 2020

Unser Leser Danil Zocher war in Griechenland und erfuhr Interessantes über die Imkerei auf Kreta. Als neugieriger Reisender knüpfte er Kontakte zu einheimischen Imkern und lernte viel Neues über die Bienenhaltung auf der Insel.

Es ist ein für kretische Verhältnisse kühler und trüber Oktoberabend, als ich mit meiner Familie im Norden der Mittelmeerinsel in eine Taverne im Ort Bali einkehre. Der Ortsname des kleinen Fischerdorfes Bali bedeutet „Honig“ und soll aus dem Türkischen stammen. Man sagt, dass in dem kleinen Hafen zu früheren Zeiten große Mengen Honig verschifft wurden. In der Taverne treffen wir auf einen einheimischen Imker. Er ist der Cousin des Wirtes, heißt Antonis und ist 46 Jahre alt. Antonis ist Bauer, hält Ziegen, bewirtschaftet einige Olivenplantagen und betreibt mit 21 Bienenvölkern Imkerei auf Kreta. Unsere Kommunikation findet ausschließlich auf Englisch statt. Für schwierige Fragen steht uns sein perfekt Deutsch sprechender Cousin zur Seite. Antonis ist sehr aufgeschlossen, und so kommen wir schnell ins Gespräch.

Imkerei auf Kreta: über 140.000 Bienenvölker

Mir war bereits in den vergangenen Jahren die hohe Bienendichte auf der Insel aufgefallen: Bienen stehen wirklich überall zwischen den Pinien- und Olivenhainen. Mein Gesprächspartner gibt mir ein paar Zahlen: 2010 hielten auf Kreta laut Statistik 2.206 Imker unglaubliche 142.856 Bienenvölker. Das sind im Schnitt rund 65 Völker je Imker. Die Zahlen bedeuten, dass auf etwa 300 Einwohner ein Imker kommt und auf der Insel 17 Völker pro Quadratkilometer stehen. Im Vergleich dazu Dresden, eine Stadt mit für deutsche Verhältnisse hoher Bienendichte: Dort kommt ein Imker auf 1.200 Einwohner, bei sieben Völkern pro Quadratkilometer.

Man kann davon ausgehen, dass die Imkerei auf Kreta nach der Finanzkrise sogar noch mehr Zuwachs erhalten hat. Und längst nicht jeder Imker ist mit all seinen Völkern ordnungsgemäß gemeldet. Antonis erklärt, nur in der Türkei sei die Bienendichte noch höher. Das aber übersteigt mein Vorstellungsvermögen. Schließlich lädt er mich für den kommenden Tag ein, ihm beim Umweiseln einiger Völker über die Schulter zu schauen.

„Sanftmut sieht anders aus.“

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Am Nachmittag des Folgetages ist es dann so weit. Zugegeben: Ich bin etwas aufgeregt. Wir treffen uns in der Nähe seines Standes und fahren mit seinem Pick-up die Berge hinauf zu den Bienen. Ich bin froh, nicht selbst gefahren zu sein: Dem gepflegten Mietwagen wäre die Strecke nicht zuzumuten gewesen. Mit dabei ist Antonis´ Freund und Imkerlehrer Manos. Manos ist Berufsfeuerwehrmann – so wie ich. Wir sind gleich auf einer Wellenlänge. Als die beiden mit Rauch die ersten Völker öffnen, gibt es sofort Stiche. Danach entschließt sich Antonis dazu, zumindest einen Schleier überzuziehen. „Sanftmut sieht anders aus“, denke ich mir.

Doch noch mehr beschäftigt mich die Volksstärke – wenn man da noch von „Stärke“ sprechen kann. Ich bin regelrecht erschrocken. Die umzuweiselnden Völker sitzen teilweise nur auf zwei bis drei Waben. Bei uns in Deutschland würde man diese Völker wahrscheinlich als nicht überlebensfähig oder als missglückte Ableger bezeichnen. Fünf solcher Völker bekommen eine neue Königin. „Die anderen Völker sehen aber besser aus“, sagt Antonis.

Auch die Imkerei auf Kreta durch Varroa bedroht

Meine erste Frage gilt den Krankheiten und Gefahren. Bereits im Sommer kam ich auf Rhodos mit einem Imker ins Gespräch, der 120 Bienenvölker sein Eigen nennt. Er setzte die Varroa an die erste Stelle der Bedrohungen. So verwundert es wenig, dass die in den 1980er-Jahren nach Kreta eingeschleppte Milbe auch hier ein großes Problem darstellt. Zur Bekämpfung setzen die Imker verschiedene legale und leider auch illegale Mittel ein.

Ameisensäure wird überhaupt nicht verwendet. Hauptbehandlungsmethode ist ein Oxalsäurestreifen, der auf die Waben gelegt wird. Diese Behandlung findet jetzt im Oktober statt. Bei anderen Imkern finden die synthetischen Mittel Bayvarol, Perizin und Amitraz den Weg in die Völker – wohl wissend, dass diese über Jahre Rückstände hinterlassen. Doch ähnlich wie bei uns ist, dass man sich mit der Milbe arrangiert hat und nun versucht, das Beste daraus zu machen. Nachteilig für die Milbenentwicklung wirkt sich das ganzjährige Brutgeschäft aus. Ein Segen, dass unsere Bienen in Deutschland im Winter eine mehrwöchige Brutpause einlegen.


Das auf Kreta größte Problem für die Imkerei stelle Nosema ceranae dar, sagt Antonis. Diese sei für die Imker der Hauptgrund für die hohen Bienenverluste, die Jahr für Jahr zu beklagen sind. Antonis beschreibt das so: „Du schaust in der einen Woche in das Volk und hast noch acht besetzte Waben, zwei Wochen später nur noch sechs, dann fünf und so weiter.“ Ob nun der plötzliche Bienenverlust bei einigen Völkern tatsächlich auf Nosema ceranae zurückzuführen ist, vermag ich nicht zu beurteilen. Einen ähnlich schnellen Zusammenbruch kennt man bei uns von mit der Varroa parasitierten Völkern.

Faulbrutausfälle auf Kreta eher eine Seltenheit

Imkerei auf Kreta: Bienenstand von Feuerwehrmann Manos
Imkerei auf Kreta: Keine einheimische Bienenrasse
Imkerei auf Kreta: persönliche Identifikationsnummer
Imkerei auf Kreta: Nosema ceranae
Imkerei auf Kreta: kleine Völker
Imkerei auf Kreta: Langstrothmaß
Imkerei auf Kreta: Überwintern auf sechs Waben
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Auch Faulbrutausbrüche sind auf der Insel bekannt. Von Zeit zu Zeit wird von vereinzelten Fällen bei anderen Imkern berichtet. Allerdings lassen die Imker auf Kreta keine Laboruntersuchungen von Futterkranzproben durchführen. Faulbrut wird nur diagnostiziert, wenn bei der Durchsicht klinische Symptome festgestellt werden – typischerweise durch eine Geruchsprobe und eine Streichholzprobe. Von löchrigen Brutnestern als Anzeichen für die Faulbrut ist keine Rede. Ähnlich wie bei uns werden die Völker nach einem Ausbruch verbrannt oder einem doppelten Kunstschwarmverfahren mit Beutendesinfektion unterzogen. Die Entscheidung trifft im Ernstfall der jeweilige Imker selbst. Trotzdem sind Faulbrutausbrüche eher eine Seltenheit und stellen trotz der aus unserer Sicht eher laschen Bekämpfungsstrategie offenbar kein Problem dar.

Vielleicht haben die geringen Probleme mit der Faulbrut mit den offenbar seltenen Fällen von Räuberei unter den Völkern zu tun. Räuberei spielt für die Imker eine eher untergeordnete Rolle. Das verwundert – stehen doch an manchen Standorten hundert Völker und mehr. Allerdings muss man wissen, dass fast das gesamte Jahr über ein Trachtangebot besteht, die Bienen eng gehalten werden und das Flugloch an die Volksgröße angepasst wird. Hingegen stellt die Räuberei durch Wespen die Völker vor eine große Herausforderung. Wespen sind eine wahre Plage, davon kann ich mich selbst überzeugen. Um die Bienen etwas zu entlasten, werden reihenweise mit Sirup gefüllte Flaschen als Wespenfallen aufgestellt.

Die kretische Biene gebe es seit den 1980er-Jahren nicht mehr

Manos bietet mir an, auch seinen Bienenstand zu besichtigen. In den Anlagen eines entlegenen Klosters hält er 70 Völker. Wir treffen uns am nächsten Morgen um 10 Uhr, und zu dritt geht es mit dem Auto etwa 20 km in die Berge. In einem Tal, vor der malerischen Kulisse des alten Klosters, stehen die Bienen mitten in einer Olivenplantage. Sowohl Antonis als auch Manos arbeiten mit einem angepassten Brutraum. Daher werden die Völker auch außerhalb der Schwarm- und Erntezeit in regelmäßigen Abständen kontrolliert. So auch heute.

Wie es mit Schwärmen aussieht, frage ich. „Die Hauptschwarmzeit ist etwa zu Ostern“, antworten sie. Da spiele der Stand des Mondes eine Rolle, versucht Manos zu erklären. Die Schwarmzeit dauert zu meinem Erstaunen nur ungefähr zwei Wochen. Ich gebe zu: Weder habe ich verstanden, was das mit dem Mond zu tun hat, noch warum die Schwarmzeit so kurz ist. Als ich dann von unserer vergleichsweise langen Schwarmsaison und den damit verbundenen Kontrollen erzähle, entgegnet Antonis nur: „Horrible!“ – „Schrecklich!“

Imkerei auf Kreta in Zehnerzargen mit Rähmchen im Langstrothmaß

Gehalten werden die Bienen in Zehnerzargen mit Rähmchen im Langstrothmaß, wobei an letzter Stelle meist das Schied hängt. Der Gitterboden ist geschlossen, dafür haben die Zargen mehrere Lüftungsschlitze. Auf mindestens sechs Waben sollten die Bienen in diesem milden Klima überwintern, sagt Manos, alles darunter sei schlecht. Jedenfalls sehen seine Bienen heute wesentlich besser aus als Antonis´ Bienen gestern. Zum Überwintern erhalten die Bienen Futterteig, der bis zum Frühjahr ausreichen soll, wenn wieder Tracht vorhanden ist. Das Päckchen wird angeschnitten und auf die Oberträger gelegt. Flüssigfutter gibt es nur im Ausnahmefall. Die Überwinterung erfolgt auf einer Zarge, im Sommer erhalten die Bienen noch einen Honigraum.

Als ich nach der gehaltenen Bienenrasse frage, lachen beide. Es gebe hier keine heimische Rasse mehr, entgegnen sie. Bis zum Einzug der Varroa in den 1980er-Jahren habe es eine kretische Biene gegeben. Diese sei für die Imkerei auf Kreta nicht sonderlich beliebt gewesen, da sie recht unentspannt gewesen sei. Damals sei man schon in der Nähe des Standes mit Stichen begrüßt worden. Die Milbe dezimierte die Bestände dieser einheimischen Biene empfindlich. Daraufhin habe ein Import von Königinnen aus ganz Europa begonnen, der bis heute anhalte. Von daher könne von einer Rasse keine Rede mehr sein, werde ich aufgeklärt. Manos und Antonis betreiben ihre Königinnenzucht in der Regel selbst. Wie wir achten auch sie auf die uns bekannten Zuchtkriterien wie Sanftmut, Wabensitz, Schwarmtrieb und Honigertrag.

20-30 Kilo Honig pro Volk und Jahr


Der Honigertrag interessierte mich natürlich auch, und wieder bin ich überrascht. Lediglich 20–30 kg ernten die Imker hier pro Volk und Jahr. Es gebe Imker, die auch einmal mit einer 40-kg-Ernte prahlen. Da hatte ich wirklich mehr erwartet, wo doch Antonis beim Gespräch in der Taverne noch erzählte, wie ertragreich die Pinie sei. Über die gesamte Saison kämen von 1.000 Quadratmetern Pinienwald bis zu 500 kg Honig in die Völker.

Das wären unglaubliche fünf Tonnen je Hektar – viel mehr, als bei uns die Robinie bringen kann, die allerdings auch nur zwei Wochen blüht. Während beide weiter an den Bienen arbeiten, frage ich sie nach kretischen Honigen aus. Eines vorweg: Die Ernte sortenreiner Honige stellt sich aufgrund der sich überlappenden Blütezeit der Haupttrachten als sehr schwierig dar. Laboranalysen werden so gut wie nicht durchgeführt. Die Sortenbestimmung erfolgt organoleptisch durch die Imker. Einzig der Thymianhonig lässt sich laut Antonis gut bestimmen. Die Pflanze sei im Geschmack recht dominant.

Weiße Meerzwiebel und Johannisbrotbaum als Pollenquelle

Ich kann beobachten, wie die Bienen mit dicken Pollenhöschen zurückkehren. Zu verdanken ist dies der Weißen Meerzwiebel und dem Johannisbrotbaum, die im Oktober in voller Blüte stehen. Stattliche Pollenbretter sind bei der Durchsicht der Völker zu entdecken. Die beiden Imker berichten mir, dass die Hauptsammeltätigkeit der Bienen im Februar mit der Blüte des Sauerklees beginnt. Danach folgt ab März der Höhepunkt der Blütenpracht auf der Insel mit Wildblumen, Obstbäumen und Zitruspflanzen.

Im April, wenn der Salbei blüht, erfolgt die erste Ernte. Im Juni beginnen Rosmarin und Thymian zu blühen. Sofern die Pinie von der Laus befallen ist und es ausreichend geregnet hat, beginnt sie im August zu honigen – und das tut sie bis Mai. Zusätzlich blühen ab Oktober noch Heide und Johannisbrotbaum. In die Pinie wandern die Imker nur mit den starken Völkern. Doch zwangsläufig vermischen sich Pinie und Heide, sodass sortenreiner Pinienhonig nur selten geerntet werden kann, wie Manos zugibt. Was auf dem Glas stehe, sei jedoch oft eine andere Sache.

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Kretischer Honig: Oft trügt der Schein

Dann geben sie mir noch einen gut gemeinten Rat: „Augen auf beim Honigkauf“. Nicht in jedem Glas, auf dem „Kretischer Honig“ stehe, sei auch welcher drin. Touristen zahlen viel Geld für Honig von der Insel. Da es sich dabei um ein lukratives Geschäft handelt, soll sich nicht selten Honig von außerhalb in den Gläsern wiederfinden. Im besten Fall komme der Honig aus anderen Landesteilen, im schlechteren Fall aus der Türkei. Beweisen lässt sich das nur sehr schlecht, und dies wäre sehr aufwendig.

Doch selbst wer Honig bei hiesigen Imkern kaufe, müsse damit rechnen, dass dieser mit Fremdhonig belastet sei. Dazu komme noch, dass nicht bei jedem Imker das umgewandelte Winterfutter die Völker vor der Honigernte wieder verlasse. Da die Bienen über eine längere Zeit mit Futterteig eingefüttert werden und parallel dazu von den Bienen Nektar eintragen wird, ist dies tatsächlich ein schwieriges Unterfangen. Alles in allem war dieser Exkurs in Sachen Imkerei auf Kreta in unserem Urlaub ein großes Erlebnis (auch wenn sich meine Frau gewünscht hätte, dass ich doch wenigstens im Urlaub die Bienen in Ruhe lassen würde). In der Kürze der Zeit konnte ich nicht alles in Erfahrung bringen. Auch blieben bei mir Fragen offen, wie zum Beispiel die Geschichte mit der kurzen Schwarmsaison. Wir werden also auf die Insel zurückkehren müssen, was bei ihrer Schönheit wohl auch meiner Frau gefallen w|

Danil Zocher



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